Hattingen. Heike Rienermann blickt auf ein anstrengendes Jahr zurück. Kirche in Hattingen fange digital viel auf, lasse die Menschen aber eben auch alleine.

"Es war ein sehr anstrengendes Jahr. Von Runterfahren habe ich nichts gemerkt." Heike Rienermann, Pastorin für die evangelischen Gemeinden Bredenscheid und Sprockhövel, zieht ein Resümee: "Es ist vieles anders geworden, nicht alles schlecht, aber wir haben auch viel verloren. Vor allem das Zwischenmenschliche, die Gemeinschaft, das, was Kirche ausmacht, ist weggebrochen."

Ob das in dem Maße wie vor Corona wiederkommt, weiß sie nicht. Es gibt zum Beispiel zwei Chöre. Einen Chor mit etwas Jüngeren und einen mit Älteren. Die Jüngeren hätten von März an weiter geprobt. Hätten Wege gefunden, die den Zusammenhalt stärken, zum Beispiel draußen gesungen.

Kameras und ein Mischpult angeschafft

"Die anderen haben sich seit dem ersten Lockdown nicht mehr getroffen." Heike Rienermann, selbst passionierte Sängerin, fürchtet, dass nach so langer Pause der eine oder andere sagt, jetzt lass' ich es ganz.

Im digitalen Bereich habe es ganz klar einen Schub nach vorne gegeben. Man habe Kameras angeschafft und ein Mischpult, kommuniziere mit den Konfirmanden über KonApp und das sehr leicht zu bedienende Zoom.

Sitzungen sind straffer und weniger zeitintensiv

"Aber das ist eben alles nur Stückwerk von dem, was Kirche ausmacht", betont die Pastorin. Die Nähe, die persönlichen Gespräche, die Gemeinschaft – alles sei zurzeit in dem notwendigen Maße nicht mehr vorhanden. "Schön ist anders."

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Dabei sei wirklich nicht alles schlecht. Denn wenn man sich über Zoom unterhalte, seien Sitzungen straffer und weniger zeitintensiv. Auch die Jugendlichen seien viel disziplinierter.

"Es ist ein Spagat, den wir sei Monaten üben"

Erstaunlich, dass viele, die sonst auf den sozialen Medien so viel von sich preisgäben, eher zurückhaltend seien. "Die muss man oft auffordern, sich per Bild zuzuschalten, damit man sich sehen kann, wenn man miteinander spricht."

Der persönliche Kontakt ist es eben in normalen Zeiten, durch den man sehr viel über die Menschen erfährt. "Es ist ein Spagat, den wir sei Monaten üben. Zum einen erreichen wir viele Jüngere digital, aber wir müssen uns auch intensiv um die Älteren kümmern, die sich aus Angst vor Corona nicht mehr in die Gemeinschaft begeben."

Vieles liegt seit März auf Eis

Heike Rienermann klingelt nach wie vor zu Geburtstagen an der Haustür. Aber eine Gratulation auf große Distanz sei eben anders.

Alles das, was für die ältere Generation im Leben so wichtig gewesen ist - die monatlichen Treffen zu Spielnachmittagen, der Austausch bei Kaffee und Kuchen, das gesellige Beisammensein - liegt seit März auf Eis. "Viele Ältere haben wirklich Angst, sich mit dem Virus anzustecken, und meiden die Gemeinschaft. Wir müssen die Schwachen auch schützen, viele gehören ja zur Risikogruppe, aber die Vereinsamung ist ein großes Problem."

Hochzeiten und Segeltörn wurden abgesagt

Heike Rienermann ist froh, dass man aus den Fehlern des ersten Lockdowns gelernt hat. Viele Dinge aber seien nicht wiederholbar. Zum Beispiel, dass durch die komplette Kontaktsperre ab März in den Altenheimen Menschen alleine ohne ihre engsten Angehörigen sterben mussten.

Auch dass bei Beerdigungen Menschen, die gut vernetzt waren, nicht Abschied nehmen durften, sei schrecklich. Auch so viele Hochzeitsfeiern sind abgesagt worden, die nicht mehr so stattfinden, wie es eigentlich geplant war.

Genauso wie der Segeltörn, den die neuen Konfirmanden sonst immer machen. Abgesagt. Nicht nachzuholen. "Vieles Digitale wird besser und bleiben. Aber das, was Kirche ausmacht, bleibt zurzeit auf der Strecke."

Ein junger und fitter Jugendreferent

Auch positive Dinge gibt es, die Corona hervorgebracht hat. So schickte Pastorin Heike Rienermann während des ersten Lockdowns immer eine kurze Predigt digital an ihre Gemeindeglieder. Eine Reihe von Haushalten mit älteren Menschen bekam die Predigt zudem auf Papier in den Briefklasten.

Als die Vorschriften wieder gelockert wurden, wollte sie die Sonntagspredigt in der Form wieder einstellen. Es kamen aber viele Bitten, das beizubehalten. "Es waren oft Gedanken darin, die die Menschen angeregt, sie im Alltag begleitet, ihnen gut getan haben. Auch digital sei man durch den "jungen und fitten Jugendreferenten" jetzt deutlich besser aufgestellt, betont die Pastorin.

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