Hattingen. Nicht angestiegen gegenüber den Vorjahren ist in Hattingen die Zahl der Obdachlosen. Doch die Wohnungslosenhilfe registriert zunehmend Anfragen.
Noch hat die Corona-Pandemie sich in Hattingen nicht auf die Zahl der Obdachlosen ausgewirkt. Doch in den letzten Wochen hat die Wohnungslosenhilfe Hattingen verstärkt Anfragen von Menschen registriert, die akut von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Und auch „verdeckte Obdachlose“, die vor der Pandemie noch bei Freunden oder Verwandten unterkamen, melden sich zunehmend. Es ist dies eine Entwicklung, die Einrichtungsleiterin Birgit Land mit einer gewissen Besorgnis registriert – nicht die einzige.
16 Männer leben in der Obdachlosenunterkunft an der Werksstraße
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Aktuell 19 Obdachlose sind der Stadt bekannt, vergleichbar viele wie in den Vorjahren. 16 Männer haben dabei Einweisungsverfügungen für die Unterkunft an der Werksstraße 40, drei Frauen sind in Wohnungen auf der Feldstraße untergebracht. Birgit Land kennt zudem einen Obdachlosen, der immer – auch jetzt, während der kälteren Jahreszeit – auf der Straße schläft. „Er will es so.“
Eine solche Entscheidung gelte es zu akzeptieren, betont Land. Traurig stimmt sie indes, dass viele der Obdachlosen an der Werksstraße „schon lange dort leben“. Auch, weil es dadurch „zunehmend schwieriger wird, sie in eine normale Wohnung zu vermitteln“.
Sechs Trainingswohnungen für „resozialisierbare“ Wohnungslose
Genau hierfür soll ein Ende 2018 beschlossenes neues Obdachlosen-Konzept indes zumindest den so genannten „resozialisierbaren“ Wohnungslosen den Weg ebnen. Menschen etwa, bei denen besondere Lebenslagen, verbunden mit sozialen Schwierigkeiten, zur Wohnungslosigkeit führte: Trennung, Arbeitslosigkeit, Depression. Für diesen Personenkreis würden derzeit Trainingswohnungen auf der Bochumer Straße geschaffen, sagt Marcel Rudka, Leiter des Fachbereichs Soziales und Wohnen. An der Bochumer Straße können zeitgleich bis zu sechs Personen jeweils in einer eigenen Wohnung leben, werden bei der Wiedergewöhnung an normale Tagesabläufe durch Sozialarbeiter unterstützt. Nach Verzögerungen bei den Umbaumaßnahmen nicht zuletzt durch die Pandemie sollen die Wohnungen im Frühjahr 2021 bezugsfertig sein, sagt Rudka.
Wer obdachlos ist, hat Anspruch auf eine Unterbringung
Der Unterbringungsanspruch eines Obdachlosen ist im Ordnungsbehördengesetz NRW geregelt.
Grundsätzlich, sagt Marcel Rudka, Leiter des Fachbereichs Soziales und Wohnen, Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten, müssten Obdachlose „in einer menschenwürdigen Unterkunft untergebracht sein, die Schutz vor den Unbilden der Witterung bietet sowie Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lässt“.
Die so genannten „nicht resozialisierten“ Obdachlosen - laut Stadt teilweise bedingt durch Mehrfachabhängigkeiten - verbleiben derweil vorerst an der Werksstraße 40. Eine Verlegung des Eingangsbereichs, Zugangskontrollen sowie zusätzliches Sicherheitspersonal sollen die Sicherheit der Bewohner dort gewährleisten, Konfliktpotenzial reduzieren. Auch diese Umbauarbeiten sollen im Frühjahr beendet sein, so Rudka.
Noch kein Träger für eine Tageseinrichtung
Tagsüber verlassen werden - wie im Konzept vorgesehen - muss die Unterkunft vorerst nicht. Ein Grund: Ein Träger für eine Einrichtung, in der sich die Obdachlosen tagsüber aufhalten können, es Waschmöglichkeiten, Getränke, eine warme Mahlzeit gibt, sei noch nicht gefunden, erklärt Rudka.
Birgit Land hofft unterdessen, dass die Zahl der Wohnungslosen in Hattingen in und nach der Pandemie nicht doch noch ansteigt – so wie 2015, als die Stadt zwei Wohnungslose zählte, und im Folgejahr plötzlich zehnmal so viele. Dass Vermieter nicht ausgerecht jetzt Räumungsklagen aussprechen, wünscht sie sich dabei. Auch, weil Betroffene angesichts von Corona derzeit deutlich schlechtere Chancen hätten, im Bekanntenkreis unterzukommen.
Kontakt zur Wohnungslosenhilfe nicht scheuen
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Und sie appelliert, den Kontakt zur Wohnungslosenhilfe der Diakonie Mark/Ruhr auch jetzt, im Lockdown, bei Bedarf nicht zu scheuen. „Wir beraten weiterhin, so gut es geht“, betont sie. Entweder unter 02324 99499-61. Oder von Angesicht zu Angesicht in den Räumen auf der Augustastraße 7. „Mit Masken, Abstand, Trennscheibe. Coronagerecht eben.“