Hattingen. In Hattingen sind auffällig viele Ältere von Armut bedroht. Zu wenige Sozialwohnungen führen zu Problemen. Was die Situation noch verschärft:

In Hattingen fehlt günstiger Wohnraum, mahnt die Wohnungslosenhilfe der Diakonie. Zuletzt hatte sich das Problem durch Sanierungen noch verschärft, erklärt die Leiterin der Einrichtung, Birgit Land. Zudem geraten in Hattingen auffallend viele ältere Menschen in Wohnungsnot.

Viele Ältere in Hattingen von Armut bedroht

Es ist eine Hattinger Besonderheit: Mehr als jeder Vierte, der sich an die Wohnungslosenhilfe wendete, war 2019 älter als 50 Jahre. „Das ist typisch Hattingen. In anderen Städten sind es viel mehr junge Leute, die unsere Hilfe suchen“, weiß Ulf Wegmann, Fachdienstleiter der Wohnungslosenhilfe bei der Diakonie Mark-Ruhr. Allerdings beobachtet Birgit Land, dass zuletzt vermehrt auch in Hattingen Jüngere unter 20 Jahren in die Beratung kommen. „Sie fliegen bei den Eltern raus und irgendwann sind die Freunde, bei denen sie unterkommen können, ausgeschöpft“, weiß sie. Viele schlagen sich allerdings lange als „Couchsurfer“ durch.

Umbrüche, bei denen plötzlich mehr sehr junge Menschen in Wohnungsnot geraten, gebe es jedes Jahr. Solche Marken seien unter anderem das Ende der Schulzeit oder im Oktober, wenn Ausbildungen frühzeitig abgebrochen würden. Dann tauchten zwar kurzfristig mehr Fälle auf, über das Jahr gleiche sich das aber wieder aus.

Bezahlbare Wohnungen sind Mangelware

Grundsätzlich verzeichne die Wohnungslosenhilfe in den vergangenen Jahren keine großen Anstiege ihrer Klientenzahlen. „Aber die Gesamtstimmung ändert sich. Es gibt mehr Leute, die Grenzfälle zum Leben in Armut sind“, stellt Birgit Land fest.

Besonders verschärft habe sich in Hattingen die Situation auf dem sozialen Wohnungsmarkt. Es sei extrem schwierig, bezahlbaren Wohnraum zu finden, betont Birgit Land.

Beratung hilft schon vor dem Wohnungsverlust

Beratung und Erreichbarkeit

Die Wohnungslosenhilfe der Diakonie setzt auch schon an, bevor Menschen auf der Straße landen. Ein Hauptkern der Arbeit ist die Prävention, um den Wohnungsverlust zu verhindern. Deshalb sei es wichtig, sich früh Hilfe zu suchen, betont Einrichtungsleiterin Birgit Land. Sie und ihre Mitarbeiter helfen zum Beispiel auch beim Ausfüllen von Anträgen für soziale Hilfen.

Der Zugang zur Beratungsstelle an der Augustastraße 7 ist derzeit durch Corona noch eingeschränkt. Klienten können aber wieder im Büro beraten werden – für Sicherheit ist durch Trennwände gesorgt.

Auch die offene Sprechstunde wird wieder angeboten. Dienstag bis Donnerstag von 9 bis 12 Uhr können Hilfesuchende auch ohne Termin vorbeikommen. Gegebenenfalls müssen sie dann kurz warten. Darüber hinaus können aber auch Termine vereinbart werden. Die Hilfeeinrichtung ist erreichbar unter 02324/ 560812 oder per E-Mail an wohnungslosenhilfe-hattingen@diakonie-mark-ruhr.de.

Das zeigt auch auch der Blick auf die Zahlen: 52 Menschen, die eine Wohnung hatten, aber in Schwierigkeiten waren, und 69 Personen, die anderweitig bei Familie, Bekannten oder in der Notunterkunft untergekommen waren, wendeten sich 2019 an die Wohnungslosenhilfe. Dazu kamen sechs Personen, die auf der Straße lebten. Von diesen Fällen konnte die Hilfeeinrichtung am Ende des Jahres 75 Personen melden, die eine Wohnung hatten – also gerade 23 mehr als zu Beginn der Betreuung. „Dieser Anstieg ist extrem wenig“, sagt Ulf Wegmann.

Das Problem besteht in Hattingen bereits seit Jahren. Die Stadt selbst hatte sich massiv von eigenen Sozialwohnungen getrennt. Die Politik beschloss im vergangenen Jahr eine Pflichtquote von 25 Prozent Sozialwohnungen bei privaten Bauvorhaben.

Renovierung durch Vonovia lässt Mieten steigen

Ein Umstand habe die Situation allerdings besonders erschwert, weiß Birgit Land: „Die Vonovia hat radikal Wohnungen renoviert, die vorher noch bezahlbar waren, danach aber zum Teil 100 Euro teurer“, betont die Leiterin der Wohnungslosenhilfe. Damit seien viele Wohnungen beim Jobcenter aus dem Raster der angemessenen Preise gefallen. Die Wohnungslosenhilfe half in zahlreichen Fällen mit Härtefallanträgen. „Zum Teil ging die Vonovia dann mit den Mieten wieder runter“, berichtet Land.

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Abhilfe soll jetzt auch eine Regelung des EN-Kreises schaffen, die seit Juli gilt. Danach würde das Jobcenter nun für jede Wohnung in angemessener Haushaltsgröße zahlen, die sich noch in der Bindung als Sozialwohnung befindet – unabhängig von engen Preisgrenzen, freut sich Ulf Wegmann. Das Grundproblem der fehlenden Sozialwohnungen löst das aber nicht.