Hattingen. „Josef Koudelka. Industries“ heißt die erste große Ausstellung seit dem Corona-Lockdown im Industriemuseum Hattingen. Warum sie so wichtig ist.
Die erste große Ausstellung seit dem Corona-Lockdown in der Hattinger Henrichshütte zeigt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe ab Freitag, 24. Juli, mit „Josef Koudelka. Industries“. Die 40 großformatigen Panorama-Aufnahmen des Fotografen der Edel-Agentur Magnum zeigen durch den Menschen massiv umgewandelte, zerstörte Landschaften.
„Industries“ sei „eine sehr wichtige Ausstellung für das Industriemuseum“, betont Museumsleiter Robert Laube. Denn auch wenn der Corona-Lockdown manches digitale Projekt des Museums beschleunigt habe, habe er doch auch gezeigt, „dass wir das Publikum brauchen“.
Erst Ausstellungen wie diese beleben die so wichtigen gesellschaftlichen Diskurse
Nicht nur, weil die Besucherzahlen auf der Hütte im ersten Halbjahr statt wie sonst 50.000 nur 20.000 betragen haben – mit der Folge, dass im kommenden Jahr wohl weniger Ausstellungen finanziert werden können, wie Dirk Zache, der Direktor des LWL-Industriemuseums, gesteht. Sondern auch, weil erst Ausstellungen wie diese so wichtige gesellschaftliche Diskurse beleben, so Laube.
Mit „Industries“ zeige man in Hattingen Arbeiten „eines der spannendsten und größten Gegenwartsfotografen“, betont Zache. Weltweit bekannt geworden ist der 1938 in Tschechien geborene Koudelka durch Aufnahmen, die er 1968 heimlich vom „Prager Frühling“ machte; der Robert-Capa-Preis dafür wurde anonym verliehen. Koudelka, der 1970 in den Westen floh und ein Jahr später bei „Magnum“ in Paris anheuerte, machte seine Urheberschaft an den Fotos erst 1984 bekannt, nachdem sein in der CSSR gebliebener Vater gestorben war.
Ausgeprägte grafische Abstraktion prägt Josef Koudelkas Schwarz-Weiß-Fotografien. Auch seine ab Freitag in der Gebläsehalle zu sehenden 2,80 Meter breiten Panorama-Aufnahmen, die mitunter wirken wie menschengemachte Mondlandschaften, geben Zeugnis seiner außergewöhnlichen Fotosprache.
Panorama-Aufnahmen geben Zeugnis seiner außergewöhnlichen Fotosprache
Entstanden seit Anfang der 1990er-Jahre, sind sie allesamt ganz aktuell. „Verbrennung und Ausbeutung von fossilen Rohstoffen“, sagt Zache, „ist ja mehr denn je ein Thema. Gerade wir als Industriemuseum, dessen ehemalige Hütten, Bergwerke und Fabriken selbst Teil dieser Entwicklung waren, sehen uns in der besonderen Verantwortung, diesen Diskurs zu Ressourcenverbrauch und Umweltschutz aufzunehmen.“
Die Ausstellung, die Patrick Thiemig als Kurator betreut, wird in Hattingen auf ganz besondere Weise präsentiert: auf beidseitig bedruckten Tafeln freischwebend in der historischen Gebläsehalle, in Form einer Rauminstallation. Für Josef Koudelka, sagt dessen Agentin Andréa Holzherr von Magnum Fotos, sei es wichtig gewesen, seine Industrie-Motive einmal „in ihrem natürlichen Kontext zu zeigen, weg vom geschützten Museumsraum“.
Erstmals stimmte Koudelka Abzügen seiner Fotos auf Dibont-Platten zu
Erstmals habe der inzwischen 82-Jährige, der zur Vorbereitung der Ausstellung bereits zwei Mal in der Henrichshütte war, zudem zugestimmt, Abzüge seiner Fotos auf Dibont-Platten zu zeigen. Das Raumklima in der Gebläsehalle machte das erforderlich.