Hattingen. In der Klinik für Psychiatrie in Hattingen werden den Patienten die Einschränkungen durch die Pandemie erklärt. Nicht jeder kann damit umgehen.

„Der Druck ist bei uns immer sehr hoch“, sagt Dr. Bernhard Kis, Chefarzt des St.-Elisabeth-Krankenhaus in Niederwenigern. Zum Glück sei die Klinik auch jetzt während der Corona-Pandemie in der Lage, die Patienten optimal zu behandeln und zu betreuen. Aber die Auswirkungen durch das Virus seien für Patienten, die bisher vor allem offene Angebote wie Selbsthilfegruppen in Anspruch nehmen konnten, ein großes Problem, weil die Anlaufstellen weggebrochen sind.

Über drei Bereiche verfügt das St.-Elisabeth-Krankenhaus: Die Tagesklinik, den ambulanten und den stationären Teil. Aus einem großen Einzugsbereich kommen Patienten mit Depressionen, Angststörungen, Psychosen, Suchtleiden und psychischen Veränderungen im Alter, erklärt der Klinikchef.

„Wir lassen die Türen auf und das Licht an“

„Wir sind heilfroh, dass wir hier in unserer Klinik weiterhin alle Möglichkeiten zur Therapie unterschiedlicher Erkrankungen anbieten können. Das ist für die Patienten sehr wichtig“, sagt Kis. Es sei mit den verschiedensten Maßnahmen, die zum Schutz gegen das Virus ergriffen werden müssten, schon ein deutlicher Mehraufwand: Händewaschen, Desinfizieren, Abstand halten und Mundschutz tragen – das alles werde sehr streng eingehalten.

„Alle diese Einschränkungen müssen wir den Patienten erklären. Wir lassen auch die Türen auf und das Licht an“, schildert Bernhard Kis die Anstrengungen, um den Patienten Sicherheit zu geben.

Den Lockdown verkraften viele nur schwer

Schwierig sei es für viele Menschen innerhalb und außerhalb der Klinik, die sozialen Einschränkungen durch Corona zu ertragen. Kis: „Den Lockdown verkraften viele nur schwer und sie wollen Freiheit. Aber nicht jeder, der Freiheit möchte, kann damit auch umgehen.“

Und er stellt klar, warum so viele Menschen dringenden Bedarf haben, behandelt zu werden. „Es sind ja keine neuen Krankheiten. Probleme, die verstärkt auftreten, hängen auch immer mit dem gesellschaftlichen Wandel zusammen.“ Der Chefarzt erklärt das anhand der Krankheit ADHS, dem Aufmerksamkeitsdefizit, das bei so vielen Kindern diagnostiziert wird und Jungen und Mädchen hyperaktiv werden lässt.

Dr. Bernhard Kis, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Niederwenigern.
Dr. Bernhard Kis, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Niederwenigern. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

„Das ist nicht neu und schon gar keine Erfindung. ADHS gab es auch in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts schon. Aber da war die Gesellschaft eine ganz andere, es gab Härte und strenge Regeln.

„Alle tragen mehr Verantwortung für sich selbst“

Heute ist Kommunikation mit den Eltern gefragt, man redet miteinander, die Gesellschaft ist viel freier, aber genau das bringt auch Probleme.“

Weil es immer einen Graubereich gibt – was ist krank, was ist gesund – habe die WHO Mindestkriterien definiert und eine Klassifikation von Krankheiten vorgenommen. Ursachen von rein körperlichen Krankheiten ließen sich eben viel klarer feststellen.

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Ganz anders sei es zum Beispiel bei ADHS. „Das ist immer ein Zusammenspiel von psychosozialen und biologischen Ursachen. Alle tragen heute mehr Verantwortung für sich selbst, aber für sehr viele ist es schwierig, damit umzugehen“, macht Bernhard Kis klar.

Für akute Fälle gibt es immer sehr schnell ein Gesprächsangebot

Eine Warteliste hat die Tagesklinik mit 30 Plätzen des St. Elisabeth-Krankenhauses immer. „Sechs bis acht Wochen bleiben die Patienten in der Regel bei uns, so dass das auch die Wartezeit ist“, sagt der Klinikleiter. „Es ist ein ganz normaler täglicher Aufenthalt, nur dass die Patienten nachts nicht hier schlafen.“ Für akute Fälle gebe es immer sehr schnell ein Gesprächsangebot. Die Patienten bekämen dann sofort Hilfestellung.