Hattingen. Stephan Anpalagan warnt vor rechtem Gedankengut. Der Hattinger sagt: „Das Verhalten der politischen Parteien bringt die Demokratie in Gefahr.“
Stephan Anpalagans Beitrag gegen die AfD ging vor zwei Jahren viral in den sozialen Netzwerken. 6000 Mal wurde sein Beitrag geteilt, mit dem er die Strategien der AfD aufzeigte und vor rechtem Gedankengut gewarnt. Jetzt, nach dem Anschlag in Hanau, steht der Hattinger Theologe, Unternehmensberater, Kolumnist und Keyboarder der Band Microclocks wieder mit klarer Kante im Blickpunkt – Eva Arndt sprach mit Stephan Anpalagan über die Gewalt durch rechtsextremen Terror.
Wie gehen Sie mit der derzeitigen Situation um?
Ich glaube, dass jeder, der sich mit den politischen Themen auseinandersetzt, seit drei Wochen nicht mehr schlafen kann. Wie die Politik mit der Problematik von rechts umgeht, ist naiv, besorgniserregend, frustrierend und instinktlos.
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Was ärgert Sie besonders an den politischen Parteien?
Es ist ja kein neues Phänomen in diesem Land haben. Die konservativen Kräfte haben diese Strömungen ja mit verursacht. Ich erinnere an das Motto „Kinder statt Inder“ des früheren NRW-Ministerpräsidenten Rüttgers. Ich erinnere an die Kampagne gegen den Doppelpass, ich erinnere an die Anschläge von Hoyerswerda und Rostock und an den Brandanschlag von Solingen 1993, wo Menschen türkischer Herkunft zu Tode kamen und Bundeskanzler Helmut Kohl sich weigerte, zur Trauerfeier zu kommen.
Es hat sich also seit den Jahren nichts zum Positiven geändert?
Nein, es ist nach wie vor ein geistiges Klima vorhanden, das den Boden für solche Anschläge bereitet. Vor allem werden ja auch die Betroffenen allein gelassen. Das Drama ist, dass seit Jahrzehnten rechter Extremismus nicht deutlich und konsequent bekämpft wird und sich mittlerweile im Parlamentarismus breit gemacht hat. Man hat sich mit rechter Gewalt Jahrzehnte nicht auseinandergesetzt. Die Parteien haben nie eine glasklare Abgrenzung gegen Rechts vorgenommen. In vielen Kommunalparlamenten sitzen NPD-Mitglieder, 2019 wurde sogar im hessischen Altenstadt Stefan Jagsch von der NPD mit den Stimmen der anderen Parteien zum Ortsvorsteher gewählt.
Wie beurteilen Sie die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen, wo sich der FDP-Kandidat mit Stimmen der AfD hat wählen lassen?
An der gesamten Entwicklung trägt auch die AfD eine Mitverantwortung. Aber die anderen Parteien können doch keine Politik machen, die sie in Abhängigkeit von der AfD bringt. Da ist ja in Thüringen nicht irgendwer von der AfD tätig. Es ist der rechtsextreme Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender dieser Partei, der in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald Zutrittsverbot hat. Von so einem Menschen kann man sich doch nicht die Hand schütteln lassen. Es ist eine absolute Instinktlosigkeit der anderen Parteien.
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Worin sehen Sie die größte Gefahr in der jetzigen Entwicklung?
Bei der Haltung der Parteien ist die Demokratie in Gefahr, sind wir alle gefährdet. Als in den 1970er-Jahren die linke RAF den Staat bedrohte, standen überall Polizisten mit Maschinenpistolen, da gab es den Radikalenerlass, da zeigte der Staat seine Klauen und Zähne. Denn da ging es um Bankdirektoren, um den Generalbundesanwalt, um den Arbeitgeberpräsidenten. Es ging es Angriffe auf das Establishment. Aber ob junge Türken abgeknallt oder angezündet werden, das interessiert offenbar nicht so sehr. Und inmitten aller dieser schrecklichen Ereignisse will der junge CDU-Politiker Philipp Amthor die alte Debatte um die Leitkultur wieder neu beleben. Es fehlt in Deutschland an Solidarität.