Hattingen. Lea Wegmann von der Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet blickt auf die Betriebswelt in Hattingen im Jahr 2030. Was sie erwartet.
Wie in Hattingen 2030 Betriebe aufgestellt sein werden, darüber gab Lea Wegmann vom Wirtschaftsbüro Hattingen, Kompetenzfeld Unternehmen begleiten, der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittleres Ruhrgebiet, Auskunft.
WAZ: Wie werden Hattinger Betriebe 2030 aufgestellt sein?
Lea Wegmann: Die Frage sollte lauten: Wie werden die Betriebe aufgestellt sein müssen? Denn der Wandel liegt nicht nur hinter uns – herausragendes Beispiel ist die Schließung der Henrichshütte – der Wandel liegt auch vor uns. Die Digitalisierung verändert derzeit schon Prozesse radikal, dieser Trend wird zunehmen. Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass Konzepte, die bis heute Erfolg garantierten, nicht zwangsläufig Erfolg in der Zukunft sichern. Die Welt 4.0 bedeutet auch Wirtschaft 4.0 und Arbeit 4.0. Die Unternehmen tun also gut daran, in die Aus- und Fortbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren und ihre Geschäftsmodelle auf Zukunftsfähigkeit zu überprüfen. Und zwar permanent.
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Welche Branchen werden dominieren?
Im Zuge des bisherigen Strukturwandels hat sich Hattingen von einer monostrukturieren Stadt hin zu einer Kommune mit einem breit aufgestellten Branchenmix entwickelt, in der keine einzelne Branche mehr dominiert. Das Gesundheitswesen bietet jetzt schon die meisten Arbeitsplätze und wird aufgrund der demografischen Entwicklung und des notwendigen Ausbaus der Pflege diese Rolle noch weiter ausbauen.
Was wird die Digitalisierung bewirken?
Die Digitalisierung wird dazu führen, dass Jobs wegfallen – und gleichzeitig dafür sorgen, dass neue entstehen. Dafür wird man hoch qualifizierte Mitarbeiter brauchen. Unternehmen müssen sich so gut aufstellen, dass sie die Herausforderungen sich veränderter Märkte meistern können. Wer die Zukunft, die längst begonnen hat, verschläft, wird vom Markt verschwinden. Das war in der Geschichte im Übrigen immer so. Es ist entscheidend, dass sich Unternehmen auf den neuerlichen Strukturwandel einlassen.
Wie kann die IHK Mittleres Ruhrgebiet die Unternehmen dabei unterstützen?
Wir als IHK sehen uns als Trendscout für unsere Unternehmen. Wir bieten Formate an, in denen Unternehmen zu einem sehr frühen Zeitpunkt die Trends ihrer Branche kennen lernen können. Wir sagen: sollten. Denn die Zukunft kommt auf jeden Fall. Entscheidend für den Erfolg wird sein, ob man sie mitgestaltet.
Wie wird das Arbeiten in Betrieben aussehen?
Digitalisierte Prozesse und Künstliche Intelligenz werden an Bedeutung gewinnen – und das wird Arbeitsplätze kosten. So wie die Dampfmaschine oder das Fließband Arbeitsplätze gekostet haben. Aber es werden gleichzeitig neue Arbeitsplätze entstehen, die man sich aber nicht zwingend in einer Werkhalle vorstellen muss. „New Work“ bedeutet flexiblerer Arbeitszeiten, flexiblere Arbeitsorte, eine andere Atmosphäre. Die Ansprüche von Arbeitnehmern an die Ausgestaltung ihres Arbeitsplatzes haben sich schon verändert und werden sich mit der „Generation Z“ noch weiter verändern. Selbst in Berufen, in denen der menschliche Kontakt unverzichtbar ist – eben beispielsweise in der Pflege – wird sich die Arbeitsorganisation durch Digitalisierung weiterentwickeln.
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Wie werden die Strukturen in Betrieben sein? Wie die Netzwerke?
Wir leben heute schon in einer Welt, in der jeder an jedem Ort zu jeder Zeit über alle Informationen verfügen kann – auch das ist Digitalisierung. Auch die IHK Mittleres Ruhrgebiet bietet mit „netzn (netzn.de)“ eine regionale Plattform, auf der sich Unternehmen mit ihren Angeboten, Produkten oder Dienstleistungen vorstellen können. Ein direkter Austausch mit anderen Unternehmen, Personen und der IHK wird online über „netzn“ ermöglicht. Das Wissen wächst permanent. Und es ist kein Herrschaftsinstrument mehr. Hierarchien werden sich abbauen, Teamarbeit wird eine viel größere Bedeutung gewinnen – auch wenn man dafür nicht zwingend Werkbank an Werkbank oder Schreibtisch an Schreibtisch stehen muss. Menschen werden miteinander kommunizieren müssen, funktionierende Netzwerke werden also immer wichtiger.
Wird sich Ausbildung verändern? Wenn ja, wie?
Die duale Ausbildung ist ein Erfolgsmodell. Die Welt hätte es gerne, wir haben es. Betrieb und Berufsschule, das ist die entscheidende Verzahnung. Verändern werden sich Ausbildungsinhalte, weil nichts mehr vermittelt werden muss, was man in der betrieblichen Praxis nicht mehr braucht. Und ebenso müssen Lerninhalte in die Ausbildungsrahmenpläne eingearbeitet werden, die auf aktuelle Qualifikationsanforderungen verweisen.
Vor 30 Jahren war die Programmierung von Maschinen nicht Gegenstand einer Ausbildung im Metallbereich, inzwischen ist sie fester Bestandteil. Auch Ausbildung muss durch Aktualisierung der Inhalte auf den Wandel reagieren. Und zwar schnell.
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Wird es mehr Co-Working-Spaces geben wie die GRAUZONE geben?
Ein klares Ja. Teamarbeit in anderer Arbeitsatmosphäre und die Notwendigkeit, miteinander zu kommunizieren – wie bereits beschrieben – machen solche Arbeitsorte unverzichtbar. Bürobauten mit langen Fluren und schmalen Zimmern, deren Türen geschlossen sind, bedeutet Arbeitswelt von gestern. Das IHK-Wirtschaftsbüro Hattingen befindet sich seit fast einem Jahr in der Business-WG GRAUZONE in Hattingen. Co-Working ist bereits gelebte Praxis auch bei der IHK. Die Leserinnen und Leser der WAZ sind herzlich eingeladen, sich das in der GRAUZONE in Hattingen mal anzuschauen.