Hattingen/Bochum. Anklage wegen Misshandlung hat die Staatsanwaltschaft Anfang 2019 gegen Hattinger Adoptiveltern erhoben. Nun lehnt das Amtsgericht den Prozess ab.

Fast ein Jahr ist es her, dass die Staatsanwaltschaft Essen Anklage gegen die Hattinger Adoptiveltern von Dennis Engelmann erhob - wegen der Misshandlung Schutzbefohlener. Nun aber hat das Amtsgericht Hattingen beschlossen: Ein Hauptverfahren wird nicht eröffnet werden.

Dennis Engelmann sagt: Als Kind sei er von seinen Adoptiveltern über Jahre erniedrigt und geschlagen worden

Rückblick: Der heute 27-jährige Dennis Engelmann hat seine Adoptiveltern, deren Namen er längst abgelegt hat, im Frühjahr 2018 angezeigt. Als Kind sei er von ihnen über Jahre erniedrigt und geschlagen worden - mal mit einem Kochlöffel, mal mit der bloßen Hand. Auch eine Pflegeschwester, so Engelmann damals, sei gedemütigt und geschlagen worden. Schließlich erhebt die Staatsanwaltschaft Essen Anklage.

Einer Verhandlung des Verfahrens vor Gericht indes hat das Amtsgericht Hattingen nun nicht stattgegeben. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Aussagefähigkeit Dennis Engelmanns, heißt es in der Begründung unter anderem.

Ein Gutachtens attestiert dem 27-Jährigen eine Borderline-Persönlichkeitsstörung

Eine Einschätzung, die auf den Ergebnissen eines psychologischen Sachverständigen-Gutachtens fußt, das dem 27-Jährigen eine Borderline-Persönlichkeitsstörung attestiert. Darüber hinaus, so das Amtsgericht, bestätigten zwei weitere Pflegegeschwister die Vorwürfe nicht. Und an der Aussagefähigkeit der dritten Pflegeschwester, die Engelmanns Schilderungen bestätigt, bestünden gewisse Zweifel. Eventuelle Straftaten ihr gegenüber könnten zudem bereits verjährt sein.

Dennis Engelmann spricht angesichts des Amtsgerichts-Beschlusses von einem „rabenschwarzen Tag für mich, für den Rechtsstaat und für alle Menschen, die Opfer von Misshandlungen geworden sind“. Denn die Entscheidung habe Signalwirkung: „Aufgrund durch die Täter verursachter psychischer Schäden ist man aussageuntüchtig.“ Es sei, so seine Folgerung, als Missbrauchsopfersomit „schier unmöglich, zu einer Art Gerechtigkeit zu kommen“. Nicht zuletzt deshalb habe er jüngst einen Verein gegründet: „Kinderseelenschützer e. V.“.

Engelmanns Anwalt hat Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts eingereicht

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„Inhaltlich überhaupt nicht einverstanden mit dem Beschluss des Amtsgerichtes Hattingen“ ist Dennis Engelmanns Anwalt Arne Michels. Er hat bereits Beschwerde dagegen eingereicht.

Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, dass bei der Beurteilung der Aussagefähigkeit seines Mandanten allein das Glaubwürdigkeitsgutachten, die „stets glaubhaften und gut nachvollziehbaren Schilderungen der Gewalthandlungen“ in Klinikakten vergangener Jahre überhaupt nicht berücksichtigt worden seien. Auch habe er den Eindruck, dass Dennis Engelmann und seine Pflegeschwester unter anderem deshalb als nicht glaubwürdig erachtet würden, da sie sich öffentlich zum Fall geäußert hätten. Und erst ein Jahrzehnt nach den Ereignissen; „Dabei sind viele Opfer oft erst Jahre später in der Lage, über das Erlebte zu sprechen.“

Anwalt von Engelmanns Adoptiveltern, sagt, er habe den Beschluss des Amtsgerichtes „so erwartet“

Gregor Hanisch, Anwalt von Engelmanns Adoptiveltern, sagt dagegen, er habe diesen Beschluss des Hattinger Amtsgerichtes „so erwartet“. Dennis Engelmann einer Begutachtung durch Experten zu unterziehen und ein Glaubwürdigkeitsgutachten erstellen zu lassen, so Hanisch, habe er aufgrund seines Eindrucks aus den Akten zudem stets „stark befürwortet“.

Nun ist das Landgericht Essen gefragt, den Beschluss des Amtsgerichtes Hattingen zu prüfen.

>>> DAS MEINT AUSSAGEFÄHIGKEIT

Mit den Begriffen Aussagetüchtigkeit oder Aussagefähigkeit ist die Fähigkeit eines Zeugen gemeint, 1. den in Frage stehenden Sachverhalt zuverlässig wahrzunehmen, 2. ihn in der zwischen dem Geschehen und der Befragung liegenden Zeit im Gedächtnis zu bewahren, 3. über ausreichendes Sprachverständnis für die Befragung sowie über ausreichende sprachliche Ausdrucksfähigkeit für die Schilderung des Geschehnisses zu verfügen, 4. ein ausreichendes Maß an Kontrollmöglichkeiten gegenüber Suggestiveinflüssen zur Verfügung zu haben sowie 5. Erlebtes von Fantasie-Vorstellungen unterscheiden zu können.

Im Strafrecht ist die Beurteilung der Aussagetüchtigkeit eines Zeugen in bestimmten Fällen von zentraler Bedeutung. Klassische Beispiele hierfür sind etwa der Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, wo in aller Regel außer dem Opfer keine weiteren Zeugen vorhanden sind.