Hattingen. Anfang 2018 hat Dennis Engelmann (26) seine Hattinger Adoptiv-Eltern angezeigt – wegen Misshandlung. Nun wird seine Glaubwürdigkeit überprüft.
Er hatte gehofft, endlich einen Schlussstrich ziehen zu können unter das schlimmste Kapitel seines Lebens, als er im Februar 2018 seine Hattinger Adoptiv-Eltern anzeigte. Weil sie ihn als Kind schwer misshandelt hätten, sagt Dennis Engelmann (26), müsse diesen der Prozess gemacht werden. Ebenso dem Hattinger Jugendamt, gegen das er Ende vergangenen Jahres ebenfalls Strafanzeige erhoben hat. Doch das Verfahren zieht sich hin, über mittlerweile 17 Monate. „Es passiert“, sagt Dennis Engelmann, „ein Skandal nach dem nächsten.“
Schläge mit dem Kochlöffel - oder der flachen Hand
Jahre hat es gedauert, bis seine Leidensgeschichte ans Licht gekommen sei, sagt Dennis Engelmann: wie seine Adoptiv-Eltern, dessen Name er inzwischen abgelegt hat, ihn als kleinen Jungen körperlich und seelisch misshandelten. Ihn mit einem Kochlöffel schlugen; oder mit der flachen Hand. Zur Strafe dafür, wenn diesen sein Verhalten nicht passte; oder seine Noten.
Seine Adoptivmutter habe ihm zudem „jegliche Liebe entzogen, sie hat mich abgestoßen und vernachlässigt“.
Aufgrund der traumatischen Ereignisse eine Reihe von psychischen Erkrankungen
2009 sei er dann aufgrund dieser Vorfälle zusammengebrochen, „etwa 20-mal war ich seitdem in stationärer psychiatrischer Behandlung, habe aufgrund der traumatischen Ereignisse eine Reihe von psychischen Erkrankungen. Ich bin mittlerweile sogar berufsunfähig“. All’ das könne er anhand von Gutachten und Therapieberichten belegen, sagt Dennis Engelmann, der heute in Bochum lebt.
Nach all’ den Strapazen eine weitere Demütigung
Dennoch muss er Experten seine Geschichte in der kommenden Woche erneut erzählen. Am forensischen Institut in Essen wird er von einer Psychologin und einem Facharzt für Psychiatrie auf seine Aussagetüchtigkeit und Glaubwürdigkeit hin untersucht. „Das ist nach all’ den Strapazen eine weitere Demütigung für mich.“
„Schwer getroffen“ habe ihn auch, dass die Stadt Hattingen sich „über mehrere Monate geweigert hat, meine Akten beim Jugendamt an die Justiz zu übergeben“, sagt Dennis Engelmann. Erst auf einen richterlichen Beschluss des Hattinger Amtsgerichtes hin gab die Behörde die Akten kürzlich heraus.
Stadt verweist auf den „Sozialdatenschutz“
Auf WAZ-Anfrage begründete Bürgermeister Dirk Glaser dieses Verhalten mit dem „Sozialdatenschutz“, denn weder habe von Dennis Engelmann eine schriftliche Einwilligung vorgelegen, dass die Stadt Hattingen vertrauliche Infos zu seiner Person herausgeben dürfe, noch läge diese von den weiteren in den Akten genannten Personen vor. Zusammen mit Dennis Engelmann lebten bei dessen Adoptiv-Eltern mehrere Jahre lang nämlich noch zwei Pflegegeschwister.
Gegen den Gerichtsbeschluss habe man daher Beschwerde eingelegt, sagt Hattingens Erste Beigeordnete Christine Freynik.
Vergeblich versucht, Hilfe vom Jugendamt zu bekommen
Dennis Engelmann sagt, nicht nur seine, sondern auch die Vorfälle um seine Pflegegeschwister, die „genauso wie ich vor allem körperlich misshandelt wurden“, habe er Anfang 2010 dem Jugendamt gemeldet – doch dort hat man nichts unternommen“. Nicht zuletzt, weil er als Jugendlicher wiederholt, aber vergeblich versucht habe, Hilfe vom Jugendamt für sich und seine zwei Pflegeschwestern zu bekommen, von denen bis heute noch eine in dieser Familie lebe, habe er daher Ende 2018 auch gegen das Hattinger Jugendamt Strafanzeige gestellt.
Stadt nimmt keine Stellung
Die Stadt will derweil weder zu konkreten Sachverhalten noch zu allgemeinen Fragen eine Stellungnahme abgeben. Bürgermeister Dirk Glaser betont allerdings: „Wir wollen nicht mauern, sondern alles dazu beitragen, was wir können, um diesen Fall aufzuklären.“
Dennis Engelmann sagt derweil, er habe durch die Misshandlungen durch seine Adoptiv-Eltern bis heute „viel an Lebensqualität eingebüßt“. Umso wichtiger sei es für ihn, weiterhin für einen Prozess gegen diese zu kämpfen. Und gegen die damals für ihn zuständigen Mitarbeiter beim Hattinger Jugendamt – auch, um öffentlich zu zeigen: „Ich bin aus der Opferrolle raus. Man hat mich nicht kaputt gekriegt.“