Bochum. . Bereits vor einem Jahr hat ein Bochumer seine Adoptiveltern angezeigt. Auch gegen das Hattinger Jugendamt erhebt er schwere Vorwürfe.

Eigentlich sollte der Prozess ein Schlussstrich sein. Ein düsteres Kapitel seines Lebens wollte Dennis Engelmann abschließen mit der Anzeige gegen seine Adoptiveltern, deren Namen er mittlerweile abgelegt hat. Als Kind sei er von ihnen über Jahre misshandelt worden, sagt Engelmann, der heute 26 Jahre alt ist.

Zigmal hat er seine Geschichte mittlerweile erzählt: Polizisten, Psychologen, Journalisten. Immer wieder überfiel ihn die Angst, dass man ihm nicht glauben, dass man all die schrecklichen Details für Hirngespinste eines verwirrten jungen Mannes halten könnte. Denn das sei ihm zumindest vonseiten des Hattinger Jugendamtes, das damals für ihn zuständig war, unterstellt worden: „Das Jugendamt behauptet, ich würde Erfahrungen aus frühester Kindheit auf die Zeit bei meinen Adoptiveltern projizieren.“

Stadt Hattingen äußert sich nicht

Eine Mitarbeiterin soll auch privat über soziale Netzwerke Kontakt zu Engelmann aufgenommen haben, nachdem er im Dezember 2018 auch gegen die Behörde schwere Vorwürfe wegen mutmaßlicher Mitwisserschaft erhoben hatte. „Mich interessiert, ob du wirklich eine Strafanzeige gegen das Jugendamt gestellt hast“, schreibt die Mitarbeiterin dort. „Auch gegen mich???“ Als Jugendlicher habe er wiederholt versucht, Hilfe vom Jugendamt zu bekommen, sagt Engelmann, doch man habe ihn nie ernst genommen.

Auf die Frage, ob private Kontaktaufnahmen von Jugendamts-Mitarbeitern mit früher Betreuten üblich seien, will die Stadt Hattingen nicht antworten. Ebenso gibt sie weder zum konkreten Sachverhalt noch zu allgemeineren Fragen eine Stellungnahme ab. „Wenn wir wirklich der Wahrheitsfindung dienen wollen“, schreibt die Pressestelle, „sollten wir uns unserer Verantwortung bewusst sein“. Man wolle nicht zur Verunsicherung von Pflegefamilien beitragen. Vielmehr gelte es, das gerichtliche Verfahren abzuwarten „und aus den gewonnenen Erkenntnissen zu lernen“.

Weitere Zeugen sollen sich gemeldet haben

Doch die Geschichte des jungen Mannes ist längst in der Welt. Eine seiner ehemaligen Pflegeschwestern stütze die Vorwürfe, sagt sein Anwalt Arne Michels, auch weitere Zeugen sollen sich gemeldet haben. „Meine Situation hat sich dadurch verbessert“, sagt Engelmann, der sich seit seiner Jugendzeit in Therapie befindet, dem die Erlebnisse so stark zugesetzt haben, dass ein normales Leben für ihn lange undenkbar war.

„Erst hatte ich nur die Aktenordner mit Gutachten und Therapieberichten als Grundlage – jetzt habe ich sogar Menschen, die das bezeugen.“ Dass noch immer nicht ausermittelt ist, dass kein Datum für eine Klageerhebung in Sicht ist, stürzt ihn allerdings in eine altbekannte Verzweiflung zurück. Dieser ist auch geschuldet, dass er nun abermals die Öffentlichkeit sucht.

Ermittlungen laufen weiter

Unabhängig davon, was sich nach all den Jahren noch bezeugen, belegen, beweisen lässt: Dennis Engelmann will den Prozess, um seinen Frieden zu finden. Er hat das Ganze angestoßen, mit Spannung gewartet, die Spannung aufrecht erhalten und fühlt sich nun nach all den Monaten der Ereignislosigkeit zermürbt.

Die Staatsanwaltschaft Essen, die mit dem Fall betraut ist, gibt keine Auskunft zum Stand der Ermittlungen. Nur so viel: „Die Verfahrensdauer mag länger sein, als sich der Anzeigeerstatter das vorgestellt hat. Sie ist aber keineswegs als außergewöhnlich anzusehen, zumal eine größere Anzahl von Beteiligten zu vernehmen ist, die an verschiedenen Orten wohnen und daher auch durch verschiedene Polizeibehörden anzuhören sind.“

Dass Dennis Engelmann Anzeige bei der Bochumer Polizei erstattet hat, liegt morgen genau ein Jahr zurück. Sein Anwalt hat nun eine Verzögerungsrüge bei der Staatsanwaltschaft eingereicht.