Hattingen. Die Altstadtmusikanten in Hattingen sorgen für besinnliche Stimmung. Sie beleben auf dem Weihnachtsmarkt das traditionelle Kurrendeblasen.

Es ist fast zwei Jahrhunderte her, da zogen traditionell kurz vor dem Heiligen Abend die Bedürftigen um die Häuser und baten um milde Gaben. Es waren kleine Chöre, die arme Kinder und Jugendliche gegründet hatten. Sie sangen geistliche Lieder und erhofften sich im Gegenzug Spenden. Mit dem Kurrendeblasen möchten die Hattinger Altstadtmusikanten an dieses Brauchtum nun erinnern.

Tradition stammt aus 18. Jahrhundert

Rund um den Weihnachtsmarkt sorgt die Gruppe für besinnliche Stimmung. Die Tradition, die die Altstadtmusikanten an diesem Freitagabend fortführen, stammt aus dem 18. Jahrhundert. Kurrende bedeutet so viel wie „umherlaufen“. Wie damals die Chöre durch die Stadt zogen und sangen, möchten auch die Bläser nicht nur an einer Stelle bleiben. „Wir touren durch die ganze Altstadt und präsentieren unsere Musik“, verkündet Helmut Pleschke. Sein Instrument ist das Kaiserbariton. „Ich klinge besonders tief. Deshalb muss ich, wenn möglich, am lautesten spielen.“

Posaunenchor spielte früher am Adventssonntag Weihnachtslieder

Drei Trompeten, eine Klarinette und ein Tenorhorn manchen das Ensemble perfekt. Lange Zeit hielten die Mitglieder des evangelischen Gesellenvereins die Tradition des Kurrendeblasens in Hattingen aufrecht. Bis in die Achtzigerjahre spielte ein Posaunenchor am Sonntagabend Weihnachtslieder, um die Leute zu erfreuen. Pleschke meint: „So können wir es heute nicht mehr machen. Heute kann man zu gewissen Zeiten nicht mehr so laut sein. Aber ich denke, am Freitag macht das Ganze genauso viel Spaß.“

Bläser wollen Brauchtum lebendig halten

Die Idee, das Blasen wieder einzuführen, sei der Musikgruppe ganz zufällig gekommen. „Der Großvater eines unserer Mitglieder war der Dirigent des Posaunenchors. Als er uns davon erzählt hat, waren wir sofort Feuer und Flamme. Zu viele Brauchtümer gehen verloren. Das ist doch schade.“ Die Hattinger Altstadtmusikanten ziehen von der Emscherstraße zum Bügeleisenhaus, vor dem Treidelbrunnen und dem Alten Rathaus spielen sie. Gerade steht die Gruppe vor der Parfümerie Pieper und stimmt „Kommet ihr Hirten“ an. Viele Meter weiter sind die lauten Blasinstrumente noch zu hören.

Passanten mögen alte Kinderlieder

Kaum sind die ersten Töne erklungen, bleiben einige Fußgänger stehen. Bis zu 50 Leute versammeln sich. Manche ziehen sogar mit den Musikanten mit, um ihnen an jeder Station zuzuhören. So auch Karin (79) und Lidia (60). Die Nachbarinnen haben zuvor in der Zeitung von der Veranstaltung gelesen und wollen sich nichts entgehen lassen: „Die Musik gefällt mir wirklich sehr gut. Vor allem die alten Kinderlieder, die man so von früher kennt, sind toll. Kling Glöckchen oder Alle Jahre wieder“, freut sich Karin. Der Begriff des Kurrendeblasens war ihr vorher gar nicht so geläufig. „Den Brauch, von Haus zu Haus zu ziehen und um Spenden zu bitten, kenne ich aus meiner Heimat. Aber die Bezeichnung ist neu.“

Kostenfreie Live-Musik

Heike (67) dagegen ist mit dem Kurrendeblasen bereits vertraut. „Wüssten alle Leute, was dahinter steckt, würden bestimmt noch mehr Menschen stehen bleiben.“ Die Rentnerin meint: „Live-Musik völlig kostenfrei, das ist doch das Beste, was es überhaupt gibt.“ Sie findet die Musik „einmalig, zum Heulen schön“. Helmut Pleschke und seine Truppe sind froh, den Menschen eine Freude bereit zu können. „Wir haben schließlich auch ganz viel Spaß dabei. Wichtig ist, dass sich alle auf Weihnachten freuen können. Ich bin leider noch nicht ganz so weit. Beim Spielen kommt man nicht so gut in die besinnliche Stimmung wie beim Zuhören.“