Hattingen. Nach 41 Jahren verlässt Ursula Keuth die Kindertagesstätte Schreys Gasse und geht in den Ruhestand. Doch den Kindern bleibt sie als Frau Holle erhalten.

Nicht an jedermanns Fenster hängen Mitte März noch Engelchen, Tannenzweige und Sterne. Wow – das fällt einem dazu nur ein: Ein pompös geschmücktes Weihnachtszimmer mit Nikoläusen aus Holz, brennenden roten Kerzen, goldenen Christbaumkugeln. Hier wohnt Ursula Keuth – noch. Die ehemalige Leiterin der Kindertagesstätte Schreys Gasse setzte sich 41 Jahre mit Begeisterung für Kinder ein. Jetzt muss sie aus gesundheitlichen Gründen aufhören und zieht gleichzeitig in ein neues Zuhause. Doch sie bleibt Hattingen treu, das muss sie auch, als stadtbekannte Frau Holle.

Daher müssen die Kinder in Zukunft nicht ganz auf Ursula Keuth (63) verzichten. Als Frau Holle schüttelt sie im Dezember zum 15. Mal die Kissen vom Alten Rathaus aus – hinab auf die verzauberte Menge. Dort stehen sicher ­viele ihrer ehemaligen Kindergartenkinder, denen sie zuwinken kann.

„Die 41 Jahre im Kindergarten waren eine großartige, lebendige Zeit, in der es nie langweilig war, es immer neue Anforderungen gab“, schwärmt sie, „ich habe die meiste Zeit meines Lebens im Kindergarten verbracht, und das ist auch gut so, weil ich die Arbeit mit Begeisterung gemacht habe.“ Vor allem ist sie dankbar dafür, dass sie eine andere Weltanschauung von den kleinen Mädchen und Jungen gelernt hat. „Sie stellen sich viele Fragen, sind neugierig und mit wenigen Dingen zufrieden. Die Welt durch Kinderaugen zu sehen, bedeutet die Welt unvoreingenommen zu betrachten.“ Ursula Keuth entdeckte die Welt immer wieder aufs Neue mit den Kleinen. „Nur wer erwachsen wird, aber dennoch Kind bleibt, ist ein Mensch.“

Deshalb liegt ihr die Advents- und Weihnachtszeit auch so sehr am Herzen. „Das Harmoniebedürfnis wächst. Die ganze Familie sitzt gemütlich beieinander und Frühstückt am Morgen zusammen.“ Ursula Keuth hat zwei Töchter und einen Sohn sowie zwei erwachsene Enkelkinder. „Der christliche Glauben ist mir wichtig. Es ist schön, wie es nach dem Gedenktag Michaeli am 29. September Schritt für Schritt auf Weihnachten zugeht. Die Geschichten des christlichen Abendlands bringen den Menschen ein Stück Kultur nahe.“

Dass ihr Wohnzimmer jedoch noch Mitte März wie ein Paradies für Weihnachtsmänner aussieht, liegt an ihrem Umzug. „Ich habe den Frühling hier nicht mehr einziehen lassen“, sagt sie. Und es könnte sein, dass sie mit einer Handbewegung alles in eine bunte Blumenwiese verwandelt. „Lichterketten und goldene Spiegel bleiben aber das ganze Jahr über hängen, sie sollen Atmosphäre schaffen. Ich bin keine Sammlerin, ich sehe zufällig etwas Hübsches, dass ich dann kaufe oder bastele auch gerne.“ Zum Beispiel Sterne aus Holz. Jetzt packt sie die Figuren von Elchen und Zwergen aber wirklich in große Kartons. „Die kommen in den neuen Keller“, sagt sie. Ein bisschen Geduld – bald können sie ja schon wieder ausgepackt werden, und dann kommt auch Frau Holle wieder. „Wenn ich vom Alten Rathaus hinunter auf die singenden Kinder und Eltern schaue, dann glaube ich, Frau Holle erwärmt ein bisschen ihre Herzen.“ Wenn sich das irgendwann ändern sollte, zieht sich Frau Holle zurück in ihr himmliches Stübchen. Doch solange sie Menschen eine Freude macht, solange steht auch Frau Holle am Fenster und winkt.