Hattingen. Jürgen Schwiese beginnt als 14-Jähriger seine Lehre an der oberen Heggerstraße in Hattingen. Ende der 1990er-Jahre kauft er das Geschäftshaus.

Vom Tellerwäscher zum Millionär? Ganz so steil ist es für Jürgen Schwiese eher nicht gelaufen – oder doch? Alles Ansichtssache, dürfte wohl die Antwort sein, denn der Hattinger hat zehn Jahre lang den Traum geträumt, das Kaufhaus zu kaufen, in dem er seine Lehre gemacht hat – und 1999 hat er es dann einfach gemacht.

Die Älteren werden sich an das Kaufhaus Meyer auf der oberen Heggerstraße erinnern, noch bis vor einigen Tagen hing am Durchgang vom Altstadt-Parkhaus in die Fußgängerzone ein Werbeschild. Hier werden jahrzehntelang Haushaltswaren eingekauft, Spielzeug, Musik und auch Gedöns. Ende der 1960er-Jahre fängt Jürgen Schwiese in dem Haus als Lehrling an, Inhaber vom einzigen Hattinger City-Kaufhaus in privater Hand ist Gerd Felder.

Das erste Kaufhaus in Hattingen mit einer Rolltreppe

Der „waschechte Hattinger“ (Schwiese über Schwiese) fühlt sich wohl und bildet sich peu à peu fort. Das 1956 eröffnete Kaufhaus wird zeitgleich zur Institution. „Wir waren in Hattingen das erste Kaufhaus mit einer Rolltreppe“, erinnert er sich in einem WAZ-Gespräch 2006. „Wir waren immer Nahversorger-Kaufhaus.“ Ganz am Anfang gibt es eben auch Lebensmittel, die erst mit den aufkommenden Supermärkten verschwinden.

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Schwiese verlässt Meyer, holt das Abitur nach,wird Bilanzbuchhalter, studiert Betriebswirtschaft. Als er seinen Diplom-Betriebswirt endlich in der Tasche hat, kehrt er zurück ins und wird im Jahr 1984 Geschäfts­führer im Kaufhaus Meyer (so der Name eines der drei Gründerväter). Er will aber mehr, nicht nur die Geschäfte führen, sondern das Geschäft besitzen. Er bearbeitet Felder, der inzwischen in der Schweiz lebt, Jahr für Jahr aufs Neue. Doch erst als der Eigentümer 65 geworden ist, lässt er sich aufs das Geschäft ein: Jürgen Schwiese zahlt eine Summe im siebenstelligen Bereich und ist ab sofort Inhaber – später kauft er auch die gesamte Immobilie.

Ein blaues, geschwungenes S mit einem kleinen -chwiese

Eine Aufnahme aus den frühen Nuller-Jahren, als Jürgen Schwiese das Kaufhaus Meyer bereits übernommen hat.
Eine Aufnahme aus den frühen Nuller-Jahren, als Jürgen Schwiese das Kaufhaus Meyer bereits übernommen hat. © WAZ | Udo Kreikenbohm

Für alle sichtbar wird der Wechsel im September 2000. Der alte Meyer-Schriftzug verschwindet, ein blaues, geschwungenes S mit einem kleinen -chwiese wird aufgehängt. Schmuck und Badzubehör schmeißt er raus, die CD- und die Kinder-Abteilung werden größer. 1500 Quadratmeter Verkaufsfläche hat er auf seinen drei Etagen, zumeist gut gelaunt führt er seine 26 Mitarbeiter, ist fröhlich, wenn Kunden ein nettes Wort sagen. Ganz klar: Das Haus ist sein Leben. „Unsere Töchter sind quasi hier aufgewachsen“, erzählt er nach dem Ende.

Ja, nach dem Ende von Jürgen Schwieses Traum vom Kaufhaus. Denn spätestens 2006 funktioniert es nicht mehr. Die schwierige Lage in der oberen Innenstadt, zudem die Gerüchte über den Bau eines großen Einkaufszentrums am Reschop. „Wir hätten mit unserem Sortiment keine Chance gehabt. Da mussten wir wirtschaftlich denken“, erklärt h Schwiese später seinen Entschluss. „Wir sind den Schritt nicht gern gegangen. Da steckte Herzblut drin.“

Tränen fließen zum Abschied im Kaufhaus Schwiese

Tränen fließen zum Abschied. Bei den Mitarbeitern. Bei den Kunden. Auch bei Schwiese. Es ist eine Stimmung irgendwo zwischen Trauer, Fatalismus und Fröhlichkeit im Haus. Höhen und Tiefen hat es immer gegeben, bilanziert er, „aber die letzten Jahre waren sehr schwer.“

Jürgen und Marlies Schwiese in ihrem „Hautnah“- Geschäft am Steinhagen.
Jürgen und Marlies Schwiese in ihrem „Hautnah“- Geschäft am Steinhagen. © WAZ | Udo Kreikenbohm

Jürgen Schwiese konzentriert sich auf sein zweites Kaufhaus, das er seit 2004 in Warendorf betreibt. Doch auch hier gibt es ein jähes Ende: 2012 kündigt der Vermieter und Schwiese muss raus. Wie gut, dass seine Frau Marlies inzwischen im Steinhagen den Laden „Hautnah – Concept Schwiese“ aufgebaut hat.

Kaufhaus-Wandel auf der oberen Heggerstraße

Jürgen Schwiese hat sein Kaufhaus im Jahr 2007 aufgegeben. Als Hauseigentümer ist er aber auch in den Jahren danach regelmäßig präsent, erst bei Vögele, später bei Miller & Monroe.

In diesem Jahr hat der 64-Jährige seine Immobilie an der Heggerstraße 43 jetzt an einen Unternehmer aus Herdecke verkauft. Und der hat sofort einen neuen Mieter: Die Modekette Kik ist inzwischen ins ehemalige Kaufhaus Schwiese eingezogen.

hautnah.concept Schwiese ist am Steinhagen zu erreichen. Öffnungszeiten: 9.30 bis 18.30 Uhr, samstags 9.30 bis 15 Uhr.

Hier steigt er wieder mit ein, ist seitdem wieder oft in der Fußgängerzone zu sehen. Er diskutiert mit anderen Einzelhändlern der Innenstadt, er kämpft darum, das St.-Ge­orgs-Viertel attraktiver zu gestalten. Denn es geht für ihn immer nur mit ganzen Herzen – und es gibt einen besonderen Grund, weshalb das gerade im Steinhagen so ist: „Keine zehn Meter von hier wurde ich ge­boren. So schließt sich der Kreis.“

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