Hattingen. Jasper Falatyk ist eigentlich Lehrer für Abiturienten. Stattdessen unterrichtet er an der Nikolaus-Groß-Grundschule in Hattingen. Die Gründe:

Zettel mit einer Anleitung zur Herstellung von Bananenmilch hat die 3a der Nikolaus-Groß-Schule an diesem Morgen vor sich liegen. „Ihr unterstreicht jetzt bitte alle Satzanfänge und alle Verben“, formuliert Jasper Falatyk (38) den Arbeitsauftrag an die Kinder. Und vergewissert sich, ehe diese loslegen, ob auch jeder von ihnen weiß, was ein Verb ist. „Ein Tu-Wort“, sagt Leo (8). Falatyk, für die Oberstufe ausgebildeter Lehrer im Grundschuleinsatz, nickt. Zum Weltlehrertag berichtet er im Gespräch mit der WAZ, wie ein Mangel an Stellen ihn zum Lehrer in der Grundschule machte.

Kein Platz an Gymnasium oder Gesamtschule


Deutsch unterrichtet der Mülheimer in der Nikolaus-Groß-Schule in Niederwenigern. Und Mathe. Und Kunst. Und katholische Religion – nur dieses Fach hat er neben Geschichte auch tatsächlich auf Lehramt studiert. Für die so genannte Sekundarstufe II.

Auf dem Weg in den Unterricht: Sekundarstufe-II-Lehrer Jasper Falatyk gibt gleich Deutsch in der Klasse 3a der Nikolaus-Groß-Grundschule in Hattingen-Niederwenigern.
Auf dem Weg in den Unterricht: Sekundarstufe-II-Lehrer Jasper Falatyk gibt gleich Deutsch in der Klasse 3a der Nikolaus-Groß-Grundschule in Hattingen-Niederwenigern. © Funke Foto Services GmbH | Walter Fischer


An einem Gymnasium oder einer Gesamtschule hatte Jasper Falatyk nach Abschluss seines Referendariats im Oktober 2018 unterrichten wollen. Doch für Fachlehrer wie ihn – für katholische Religion und Geschichte – sind feste Stellen an diesen Schulen rar gesät. Als Vertretungslehrer hat der 38-Jährige an einem Gymnasium in Rheinberg bis zu den Sommerferien gearbeitet. „Mit weiteren Vertretungen hätte ich mich vermutlich über Wasser halten können.“ Er aber wollte eine feste Stelle.

Erfahrungen im Referendariat

In der 3a wird es unruhig. „Wenn ihr mit dem Unterstreichen fertig seid, unterhaltet euch mit eurem Sitznachbarn, ob das so gut ist“, sagt Jasper Falatyk. Und ermahnt: „Ihr sprecht im Flüsterton.“

Während seines Referendariats hat der Junglehrer schon einmal Erfahrungen mit Erst- bis Viertklässlern gesammelt, bei einem einwöchigen Praktikum an einer Grundschule in Duisburg. Und dabei erstmals bemerkt, „dass mir das Unterrichten an der Grundschule gar nicht so fern liegt“. Anders als zunächst gedacht.

Spaß an der Arbeit mit Grundschülern

Zwar seien die großen Unterschiede in der Leistungsfähigkeit der Kinder eine riesige Herausforderung, gesteht Jasper Falatyk. Aber ihm gefällt der Umgang mit der jüngsten Schülerschaft. „An der Grundschule sind die Kinder sehr ehrlich, als Lehrer erhältst du sofort ein Feedback.“ Zudem lieferten auch Grundschüler teils schon tolle Unterrichtsbeiträge. „Das habe ich früher unterschätzt.“

Die Kinder der 3a haben sich inzwischen ausgetauscht über Satzanfänge und Verben, die Ergebnisse mit Jasper Falatyk gemeinsam zusammentragen. Nun will ihr Lehrer wissen, wie sie das Bananenmilch-Rezept geschrieben finden. „Ich finde es doof, dass da am Satzanfang immer dann, dann, dann steht“ sagt etwa Paul (8). Und Lukas (8) kritisiert: „Da steht: ,tut man in das Ding’. Das kann ja alles sein, das Ding.“

Grundschule braucht Verstärkung

„Gut“, lobt Falatyk. Und gibt den Kindern ein zweites Rezept, wortvariantenreicher. Und wieder geht es um Satzanfänge und Verben – und letztlich darum, worauf es bei einem gut geschriebenen Text ankommt.

Auch mit einem freundlichen Blick kann ein Lehrer ermutigen: Jasper Falatyk und zwei seiner Schülerinnen.
Auch mit einem freundlichen Blick kann ein Lehrer ermutigen: Jasper Falatyk und zwei seiner Schülerinnen. © Funke Foto Services GmbH | Walter Fischer


Seit Schuljahresbeginn ist der Mülheimer in der 3a Co-Klassenlehrer von Rolf Kaßner (53). Der sagt über den neuen Kollegen, er habe von diesem einen guten Eindruck. „Er versucht, sich auf das Niveau der Grundschule einzulassen, lernt dabei schnell.“ Kaßner begrüßt es dabei, dass das Land Nordrhein-Westfalen Oberstufenlehrern das Angebot gemacht hat, auch an der Grundschule zu unterrichten: „Wir brauchen die Verstärkung.“ Zudem wüssten diese Lehrer, „worauf es bis zum Schulwechsel für die Kinder hinauslaufen soll. Das ist auch für uns eine Bereicherung“.

Zusage für eine andere Stelle

Der Gong ertönt, Jasper Falatyk entlässt die 3a in die Pause. In zwei Jahren, so ist es ihm vertraglich zugesichert, kann er von der Nikolaus-Groß-Schule auf eine feste Stelle an einem Gymnasium, einer Gesamt- oder einer Berufsschule wechseln.

Doch der 38-Jährige sagt, er könne sich auch gut vorstellen, „hier zu bleiben“. Vorausgesetzt, dass er als Sek-II-Lehrer auch bei einem Dauereinsatz an der Grundschule verbeamtet würde (was derzeit noch nicht möglich ist). „Die Arbeit mit diesen Kindern hier macht mir nämlich wirklich sehr viel Spaß.“