Essen. Grundlos soll der Hattinger “Philosoph“ einen jungen Mann niedergestochen haben. Das Schwurgericht Essen sah aber, dass er aus Notwehr handelte.

Freispruch für den Hattinger „Philosophen“. Das Essener Schwurgericht sah am Freitag keinen Beweis für den versuchten Totschlag, den die Anklage dem 66 Jahre alten Obdachlosen vorgeworfen hatte. Auf Notwehr erkannten die Richter, so wie es Verteidiger Aykan Akyildiz gefordert hatte. Staatsanwältin Sarah Erl ging dagegen weiterhin davon aus, dass Klaus-Peter B. am Morgen des 1. November grundlos auf einen 27-Jährigen aus Sprockhövel eingestochen und diesen lebensgefährlich verletzt hatte. Sechs Jahre Haft forderte sie.

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Aber gerade auf diesen Zeugen und dessen 28 Jahre alten Freund, ebenfalls aus Sprockhövel, wollte das Gericht bei einer Verurteilung nicht bauen. Widersprüche gab es in ihren Aussagen, nicht immer sprachen sie die volle Wahrheit. Richter Jörg Schmitt: „Ihren Alkoholkonsum haben sie erheblich herunter gespielt.“ Denn der eine der Männer hatte zwei Promille Alkohol im Blut, der andere 1,5. Beide hatten dagegen vor Gericht angegeben, keinesfalls betrunken gewesen zu sein.

Grundlos aufgesprungen und zugestochen

Die Anklage hatte sie als völlig harmlose und unschuldige Opfer dargestellt. Beide seien am Rande der Innenstadt auf dem Weg zur Tankstelle an der Martin-Luther-Straße gewesen, um dort noch einen „Absacker“ zu kaufen. Der 27-Jährige habe dann im Gebüsch austreten wollen, der andere sah auf einer Parkbank den Obdachlosen, der Gitarre gespielt habe. Er habe ihn angesprochen, dass er schön spiele. Da sei der Angeklagte aggressiv aufgesprungen, habe ihn angegriffen. Als schließlich der Freund dazu kam, habe der 66-Jährige diesem in den Bauch gestochen.

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Klaus-Peter B. hatte den Morgen komplett anders geschildert. Über seinen Verteidiger Aykan Akyildiz ließ er am ersten Prozesstag vortragen, dass einer der beiden Männer ihn zunächst beschimpft habe, beide ihn dann körperlich angegriffen hätten. Er sei in Panik gewesen und habe sein Messer gezogen, in das der junge Mann hinein gestolpert sei.

Auszuschließen sei diese Notwehr-Schilderung nicht, sagte Richter Schmitt. Er erinnerte an die Zeugenaussagen. Das eigentliche Opfer war keine Hilfe für das Gericht, weil es sich nach eigenen Worten nicht an die Tat erinnert.

Probleme mit der Glaubwürdigkeit der Zeugen

Bei dessen Freund hatte das Gericht einige Probleme mit der Glaubwürdigkeit. Ein Beispiel nur: Vor der Kammer hatte der 28-Jährige erzählt, er habe den blutenden Freund zur Tankstelle gebracht und dort auf das Eintreffen des Notarztes gewartet.

Der Tankwart erzählte dagegen, der 28-Jährige habe den Verletzten abgelegt und sei sofort und wutentbrannt los gelaufen, um den Täter fertigzumachen. Schmitt: „Davon hat er uns kein Wort berichtet.“

Gericht regt Ermittlungen gegen Kunden der Tankstelle an

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Schmitt regte strafrechtliche Ermittlungen gegen Kunden der Tankstelle an, vielleicht mit Videomaterial. Denn nach Aussage des Tankwartes hatten Kunden trotz des Verletzten am Boden verlangt, endlich bedient zu werden. Eine Krankenschwester habe jede Hilfe abgelehnt. Sie habe jetzt Feierabend, soll sie gesagt haben.

Der Angeklagte, der seit dem 1. November in Untersuchungshaft saß, wird für diese Zeit finanziell entschädigt. Eigentlich, so Richter Schmitt, müsse negativ gewertet werden, dass Klaus-Peter B. nach der Tat geflüchtet sei, sich Bart und Kopfhaar wegrasiert und jede Tatbeteiligung abgestritten habe. Aber das sei angesichts seiner Erfahrungen als Obdachloser mit der Polizei vielleicht verständlich.