Hattingen. . Nach dem Messer-Angriff des Hattinger „Philosophen“ klagt ein Zeuge: Niemand hat dem Opfer geholfen, nicht einmal eine Krankenschwester.

Der Messerstecher-Prozess gegen den selbsternannten „Philosophen“ wurde am Landgericht in Essen fortgesetzt. Dabei schildert ein Zeuge die Minuten in denen er mit dem schwer verletzen Opfer alleingelassen wurde und niemand half.

Das Opfer war im Eingangsbereich der Esso-Tankstelle zusammengebrochen – und außer dem Angestellten hat keiner geholfen. Das berichtete der 27-Jährige, der damals in der Tankstelle gejobbt hat, als Zeuge vor dem Schwurgericht.

Opfer schleppt sich zur Tankstelle

Es war die Nacht auf Allerheiligen, als der angeklagte Obdachlose am Rande der Altstadt einen jungen Mann niedergestochen haben soll. In Panik und Notwehr, wie er sagt.

Das Opfer hatte sich zu der nahen Tankstelle geschleppt. „Der Mann war schon ganz schlapp, hat sich den Bauch gehalten“, erinnerte sich der Tankstellen-Mitarbeiter, der morgens um sechs Uhr gerade seine Schicht begonnen hatte. Er habe sofort einen Verband geholt und dem Verletzten erklärt, dass er damit die Wunde zudrücken soll. „Ich selbst hatte keine Handschuhe dafür.“

Nicht einmal die Krankenschwester hat geholfen

Was ihn besonders entsetzt hat: Keiner der anwesenden Kunden hat ihm geholfen. „Einer hat sogar darauf bestanden, dass er erstmal Zigaretten bekommt“, so der Tankstellenmitarbeiter. „Dabei haben doch alle gesehen, dass da einer liegt – mit einer offenen Bauchwunde.“ Nicht einmal eine anwesende Krankenschwester habe geholfen. „Ich habe Feierabend.“ So oder so ähnlich soll sie sich ausgedrückt haben.

Der schwer verletzte Mann hatte den Ernst der Lage zunächst gar nicht wahrgenommen. „Er hat mir sogar noch gesagt, dass ich ein Foto machen soll.“ Was er aber nicht gemacht habe. „Ich hatte Angst um sein Leben. So viel Blut sieht man nur im Film.“ Kurz darauf habe das Opfer auch nicht mehr sprechen können. „Er hat nur noch geweint.“

Angeklagter als Schlichter beschrieben

Der 66-jährige Angeklagte hatte bis zu seiner Festnahme meist in einem Zelt in den Ruhrwiesen geschlafen. In der Altstadt hatte er oft Jugendliche um sich. „Man konnte gut mit ihm reden“, sagte einer von ihnen im Prozess. „Über Gott und die Welt.“ Außerdem sei der Angeklagte ein guter Schlichter gewesen.

Richtig aggressiv hat den „Philosophen“ wohl nie jemand erlebt. Höchstens mal laut. „Er ist ein sehr emotionaler Mensch“, sagte ein alter Freund den Richtern. Die Anklage lautet auf versuchten Totschlag. Der Prozess wird fortgesetzt.