Essen. Auf versuchten Totschlag lautet die Anklage gegen einen Hattinger. Grundlos soll der Obdachlose einen 27-Jährigen niedergestochen haben.

Noch sagt er nichts, der 66 Jahre alte Hattinger, der am Montag vor dem Essener Schwurgericht die Anklage hört, die ihm einen versuchten Totschlag vorwirft. "Philosoph" wird der Obdachlose in Hattingen genannt, doch die Tat passt so gar nicht zu einem feinsinnigen Denker. Denn grundlos soll Klaus-Peter B. am Morgen des Allerheiligentages 2018 auf einen 27 Jahre alten Mann eingestochen und diesen lebensgefährlich verletzt haben.

6.30 Uhr war es, als der Angeklagte in der Nähe der Esso-Tankstelle am Rande der Innenstadt auf einer Parkbank saß. Gitarre spielte er. Allein an seinem langen Bart war er leicht als der stadtbekannte "Philosoph" zu erkennen.

Eines der Opfer soll das Gitarrenspiel gelobt haben

In diesem Moment kamen zwei junge Männer vorbei. Sie kamen wohl aus der Altstadt. Einen von ihnen, das spätere Opfer der blutigen Attacke, drängte es. Er verzog sich ins Gebüsch, um sein Geschäft zu erledigen.

Der andere sprach den 66-Jährigen laut Anklage freundlich an. Er habe das Gitarrenspiel des Älteren gelobt. Doch Klaus-Peter B. soll das in den falschen Hals bekommen haben. Er soll unvermittelt aufgestanden und die Gitarre zur Seite gelegt haben. Dann habe er den jungen Mann zunächst beschimpft und dann mit der Hand ins Gesicht geschlagen.

Mit "einem spitzen Gegenstand" zugestochen

Dessen Freund war mittlerweile aus dem Gebüsch zurückgekehrt, wollte helfen. Da soll der Angeklagte zugestochen haben. Mit "einem spitzen Gegenstand" habe er auf den Bauch des 27-Jährigen gezielt und die Leber verletzt. Dann soll er geflüchtet sein.

Lebensgefährliche Verletzungen erlitt das Opfer. Ein Mitarbeiter der Tankstelle half mit Verbandsmaterial, um die Blutung zu stillen. Im Bochumer Bergmannsheil retteten Ärzte in einer Notoperation das Leben des 27-Jährigen.

Zur Tarnung den Vollbart abrasiert

Den Angeklagten nahm die Polizei mehrere Stunden später fest, seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Die Beamten hatten ihn in seinem Zelt am Ruhrufer angetroffen. Frisch rasiert, stellten sie fest. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass er sein Aussehen verändert hatte, um nicht der Personenbeschreibung für den Täter zu entsprechen. Doch es gibt Zeugen, die behaupten, dass der Angeklagte bis zur Tatzeit einen Vollbart trug.

Die Anklage beruht auf den Angaben der jungen Männer. Klaus-Peter B. hat bislang geschwiegen. Im Prozess wird er vermutlich nicht aussagen.

Verteidiger will Erklärung abgeben

Verteidiger Aykan Akyildiz will für ihn eine Erklärung abgeben. Allerdings musste er noch ein paar Details mit dem Angeklagten abstimmen, so dass es dazu erst am Freitag kommen soll, erklärte der Anwalt dem Essener Schwurgericht.

Auch die beiden Opfer sollen erst am Freitag gehört werden. Möglicherweise wird es in der Aussage des Angeklagten heißen, dass sie ihn keineswegs für seine Musik am Feiertagsmorgen gelobt, sondern angepöbelt hätten. Insgesamt vier Tage hat das Gericht angesetzt, um den Grund der blutigen Auseinandersetzung zu klären. Feststellen durften sie am ersten Tag, dass Klaus-Peter B. wieder einen Bart trägt.