Hattingen. . Diese Menschen aus dem Ausland haben in Hattingen eine Heimat gefunden. Wir stellen ihre Geschichten vor. Sie erklären, warum Europa wichtig ist.
Hattingen hat 1700 nicht-deutsche EU-Bürger und zahlreiche Einwohner mit Wurzeln in anderen europäischen Ländern. Viele Menschen aus dem Ausland haben in Hattingen ein neues Zuhause und viele auch eine neue Heimat – inklusive deutscher Staatsbürgerschaft – gefunden. Wir stellen einige der Hattinger, die aus anderen Ländern hierher gezogen sind, und ihre Geschichten vor. Sie erklären, warum Europa ihnen wichtig ist.
Antonio Gonzaga Barrios kam aus Liebe aus Spanien
Von Gran Canaria ist Antonio Gonzaga Barrios (47) im Jahr 1991 nach Deutschland gekommen – der Liebe wegen. Denn auf der kanarischen Insel hatte er sein Frau kennen gelernt, eine Deutsche. „Ich habe in Deutschland eine Kochausbildung gemacht. Vor dreieinhalb Jahren habe ich das Restaurant Comedor an der Burgstraße eröffnet“, berichtet der Vater von Zwillingen (14). Und weil es dort spanische Küche gibt, schlägt er eine Brücke zur alten Heimat.
Was er an Hattingen mag? „Die Menschen, die Kultur, einfach alles“, schwärmt er. Ein, zwei Mal pro Jahr fährt er noch auf die Kanarischen Inseln, doch in Hattingen ist er längst heimisch geworden.
Gemeinsame Währung
Zur Europäischen Union gibt es für ihn schlicht keine Alternative. „Es ist doch toll. Wir haben eine gemeinsame Währung, müssen kein Geld mehr umtauschen, ich konnte hier arbeiten, ein Restaurant eröffnen. Es ist gut, wenn alle zusammenarbeiten.“ Und weil ihm wichtig ist, dass das so bleibt, wird er auch am 26. Mai bei der Europawahl seine Stimme abgeben.
Andrew Smart aus Großbritannien ist stolzer doppelter Staatsbürger
Um es gleich vorweg zu sagen: Den Brexit findet Andrew Smart (54) nicht gut, er ist für europäischen Zusammenhalt. Denn er führt ein wahrlich europäisches Leben.
Seine Frau, die aus Blankenstein stammt, hat er in Belgien kennen gelernt. „Wir haben 1998 beide für Air Products gearbeitet, waren in einer Projektgruppe.“ 1999 fiel die Entscheidung, sein Hobby, die Musik, zum Beruf zu machen und dafür nach Großbritannien zu ziehen, in ein Dorf in der Nähe von Manchester. „Ein bisschen crazy“, sagt er. Seine Frau zog mit. Als Liedermacher und Produzent machte er sich mit englischen und belgischen Freunden selbstständig. Doch das warf finanziell nicht genug ab.
Einbürgerungstest bestanden
2014 entschieden er, seine Frau und seine beiden Kinder (heute 9 und 15 Jahre alt), nach Hattingen umzuziehen – nach Blankenstein. Stolz ist Smart auf das umgebaute Fachwerkhaus. Inzwischen arbeitet er bei der Witt Gastechnik GmbH in Witten – und reist viel. Da ist es gut, dass Englisch seine Muttersprache ist. Daheim spricht er mit seinen zweisprachig aufwachsenden Töchtern Englisch. Aber sein Deutsch will er unbedingt weiter verbessern, besucht derzeit einen Kursus der VHS. Eben hat er die Sprachprüfung und den Einbürgerungstest „beide mit 100 Prozent“ bestanden.
Smart setzt auf eine doppelte Staatsangehörigkeit. „Solange England noch in der EU ist, geht das noch.“ Die Doppelstaatlichkeit ist ihm wichtig – privat wie beruflich für seine Reisen. In der Grundschule seiner Tochter in Deutschland überraschte ihn anfangs, dass „Mathe so ganz anders unterrichtet wird als in England“. In Hattingen fühlt sich Smart längst wohl. Und hat seit eineinhalb Jahren einen Hund – „einen langhaarigen britischen Collie namens Bailey“.
Niederländerin Jantine Blaas ist Sprachtherapeutin
Seit 22 Jahren lebt die Niederländerin Jantine Blaas in Deutschland. Die Arbeit brachte die heute 47-jährige Sprachtherapeutin hierher. An einer Fachhochschule in ihrer Heimat hatte sie den Bachelor gemacht, wollte danach gerne in der Neurologie arbeiten. „Aber in den Niederlanden finden viele Therapien ambulant zu Hause statt. Da gibt es nicht so viele Reha-Kliniken. Ich habe dann erst in einem Bücherladen gearbeitet“, berichtet sie. Über eine Vermittlungsfirma fand sie für drei Monate einen Vertretungsjob in Deutschland – als Sprachtherapeutin. „Und danach hat man mir einen Vertrag angeboten.“
In Castrop-Rauxel lebte sie zunächst, dann in Blankenstein. „Da hatte ich Glück, das ist ein netter Ort. Hattingen ist einfach insgesamt gemütlich und hat viele Feste zu bieten.“ Auch wenn sie heute in Sprockhövel lebt, hat sie noch „ihren Hattinger Büchereiausweis“.
Zusammenhalt und Großmächte
Ihr Deutsch sei bei ihrer Ankunft in Deutschland „schlecht“ gewesen. „Ich hatte Deutsch als Leistungskursus im Abitur, dann aber zehn Jahre nicht gesprochen.“ Ein Hindernis sei die Sprachbarriere selbst in ihrem Beruf anfangs nicht gewesen. „Viele neurologische Patienten haben mich dann gefragt, wie etwas heißt. Wusste ich das auch nicht, kamen wir dem Begriff über Beschreibungen näher. Man war auf einer Ebene. Das ist auch sehr gut.“ Familie und Freunde besucht sie in den Niederlanden regelmäßig. „Aber sie kommen auch hierher“, sagt Jantine Blaas, die inzwischen mit einem Deutschen verheiratet ist.
Der Zusammenhalt in Europa ist für die 47-Jährige wichtig, „weil wir global Großmächte wie die USA, China und Russland haben“, sagt sie. Gemeinsam seien die europäischen Staaten stärker – egal ob politisch oder wirtschaftlich. „In Europa ist es wichtig, dass die starken Länder den schwächeren helfen.“
Weder Pole noch Deutscher: Laurentius Tacica fühlt sich als Europäer
Schon seit seinem 13. Lebensjahr lebt Laurentius Tacica (43) in Deutschland. Aus Polen, Schlesien, wie er sagt, kam er mit seinen Eltern. „Fast die ganze Familie war da schon in Deutschland.“
Erst war Witten sein Zuhause, seit 2010 lebt er in Hattingen. Und sagt über sich: „Ich bin weder Pole noch Deutscher. Ich bin Europäer.“ Und als solcher lebt der gelernte Altenpfleger gerne in Hattingen, arbeitet in der Helios-Reha-Klinik in Holthausen als Bereichsleiter Altenpflege. Inzwischen ist er überzeugter Hattinger. „Die Stadt ist klein, aber man kann viel unternehmen. Ich fahre gerne Fahrrad, es gibt gute Wege an der Ruhr“, lobt er. Gerne geht er in die Altstadt – besonders in der Weihnachtszeit.
Reise- und Arbeitsfreiheit
Bei der Europawahl seine Stimme abzugeben, ist ihm wichtig, „um mitzubestimmen. Ich sehe es als meine Pflicht an. Und wenn ich später meckere, weiß ich wenigstens, worüber.“ Dass England aus der EU austreten will, findet er nicht gut. „Die Länder haben sich verpflichtet. Und profitieren auch.“ Keine Visa, dort zu arbeiten, wo man wolle: Das seien Vorteile von Europa. Zwar reist er inzwischen selten nach Polen, wenn dann aber gerne zu den wenigen, dort noch lebenden Familienmitgliedern ans Meer.