hattingen. . Der zweite Roman des Hattinger Autors Hellmut Lemmer spielt im Sauerland. Der 72-Jährige schildert Erlebnisse aus der Sicht von Kindern.

Seine über 90 Jahre alte Nachbarin hat Hellmut Lemmer direkt herzförmige Kartoffeln vorbeigebracht, die sie für den Autor gesammelt hat, als sie von seinem Buch gehört hat. Gerade ist der zweite Roman des 72-Jährigen erschienen. Der Titel: Herzkartoffel. Das Herz kommt ins Spiel, wenn es um Emotionen, die erste Liebe oder auch eine Heirat ohne Liebe geht.

Die besonders geformte Knolle, die dem Buch den Titel gibt, betitelt die erste von insgesamt 33 einzelnen Geschichten. Sie dreht sich um ein tragisches Unglück, wie es sich auf dem Land und sicher auch woanders zugetragen hat. Wer sie gelesen hat, beißt nicht mehr unbeschwert in eine Herzkartoffel und bekommt Schluckbeschwerden schon beim Gedanken an die Beilage an sich. Zumal das Unglück am Anfang des Romans auch weiterhin von Bedeutung ist und auf vielen Seiten weiterwirkt.

Alt-Nazis und Aufbruchstimmung

Der Roman spielt im Sauerland, in Hunswinkel, wo Lemmer geboren wurde. Mit zehn Jahren kam er nach Hattingen. Erzählt wird der Roman aus der Perspektive von Kindern. Eigene Motive und Erlebnisse sind zwar eingeflossen in die Geschichten von Kindern und Erwachsenen nach dem Krieg, aber es sind nicht die von Helmut Lemmer, wie der Autor versichert. Allerdings: „Ich kann nur über etwas schreiben, was ich nachvollziehen kann.“

Die einzelnen Kapitel lassen sich gut separat lesen und stehen durchaus für sich. Doch wenn eine Geschichte beendet ist, will man wissen, wie es weitergeht. Mit der Kindheit in den 1950ern, die alles andere als unbeschwert war zwischen Alt-Nazis, Kriegsheimkehrern mit Trauma, britischen Besatzungstruppen. Mit Vorurteilen und Verbohrtheit, dem Kampf gegen den gemeinen Lehrer. Den Flüchtlingen und Vertriebenen, die in Baracken hausen und unwillkommen sind. Was über die Situation von Flüchtlingen heute nachdenken lässt, über Nachbarschaft und Willkommensein. Auf den Seiten schimmert aber auch viel Aufbruchstimmung und Mitgefühl durch.

Über 200 Seiten sollen fesseln

„Wie war das in der eigenen Kindheit?“ Die Frage stellt sich sicher nicht nur Hellmut Lemmer, den sie etwas mehr beschäftigte, seit er selbst Vater war. Aber nicht nur für Ältere ist die „Herzkartoffel“ spannend zu lesen. Stur sein, sich abschotten gegen Fremde und Fremdes – oder offen sein für Neues: Antworten auf solche Fragen zu suchen, ist zeitlos aktuell. Eine „Botschaft“ vermitteln will Hellmut Lemmer mit dem Buch nicht. Ihm reicht, wenn die über 200 Seiten seine Leserinnen und Leser fesseln.

<<<Lemmer stellt Roman im Stadtmuseum vor

Seinen Roman „Herzkartoffel“ stellt Hellmut Lemmer nächste Woche vor. Die Lesung findet am Donnerstag, 4. April, um 19 Uhr im Stadtmuseum Hattingen in Blankenstein, Marktplatz 1, statt.

Der Roman ist im Woll-Verlag (www.woll-verlag.de) erschienen und kostet 14,90 Euro (ISBN 978-3943681918). Der Hattinger Autor arbeitet zum ersten Mal mit dem Verlag im Sauerland zusammen.