Hattingen. . Alfred Schulte-Stade zeigt WAZ-Lesern seine Wildtiere aus nächster Nähe. Auch Simmentaler Rinder züchtet der Gastronom in Hattingen Winz-Baak.

Kaum hat Alfred Schulte-Stade die Besucher begrüßt, die hier und heute Näheres über seinen Schultenhof erfahren möchten, da bittet er sie auch schon zur „Ruhrsafari“. Auf einem mit Holzbänken ausgestatteten Trecker-Anhänger geht’s raus in die Ruhrauen – so nah wie möglich an die Auerochsen heran. Die Aktion „WAZ öffnet Pforten“ macht’s möglich.

„Sie sollen alle einen Einblick davon bekommen, wie großzügig diese Tiere gehalten werden“, sagt Schulte-Stade, während sich der Trecker-Tross ruckelnd über die Wiesen in Richtung der mächtigen Wildrinder hin bewegt. Dass die das ganze Jahr über auf der Weide im Naturschutzgebiet leben, erzählt Schulte-Stade während der Fahrt. Die Sommerhitze habe natürlich auch den Wiesen dort geschadet, aber anders als für so manchen Bauern in der konventionellen Landwirtschaft, dem dadurch das Viehfutter ausgegangen sei, „ist das für uns nicht ganz so schlimm: weil wir deutlich weniger Tiere pro Hektar halten“. Und die hätten auch jetzt noch genug zu fressen – „nur eben Heu statt Gras“.

Nah kamen die Teilnehmer von WAZ öffnet Pforten in Hattingen an die Auerochsen heran.
Nah kamen die Teilnehmer von WAZ öffnet Pforten in Hattingen an die Auerochsen heran. © Fischer

45 Tiere zählen derzeit zu der Herde an der Ruhr

Ob sich das beim Fleisch später geschmacklich bemerkbar mache, will WAZ-Leserin Christa Halm (63) wissen. „Nein“, entgegnet Alfons Schulte-Stade. Heu futterten die Tiere ja auch sonst – nur üblicherweise in den Wintermonaten.

Und weiter geht die Fahrt über die recht holprige Wiese mit Friedhelm Höller am Trecker-Steuer. Doch immer noch ist von den Auerochsen nichts zu sehen. 45 der Mitte des 19. Jahrhunderts aus Hausrindrassen rückgezüchteten Wildrinder halte er derzeit in den Ruhrauen, sagt Schulte-Stade. Auch Simmentaler Rinder hat er.

Bullen werden geschlachtet, die Kühe dagegen nicht

Im Alter von etwa zweieinhalb Jahren würden dann die Bullen geschlachtet – im eigenen Schlachthof. Seine Kühe dagegen lebten in den Ruhrauen, „bis der Tod uns scheidet – meist so 22, 23 Jahre. Das Leben einer normalen Milchkuh aus konventioneller Landwirtschaft ist dagegen nach fünf, sechs Jahren vorbei“.

„Das Fleisch vom Schultenhof haben wir schon mal gegessen – es war sehr lecker“, werfen Hildegard (69) und Hans-Jürgen Laufer (74) ein, während Alfred Schulte-Stade erzählt, dass er jeden Auerochsen selbst mit dem Gewehr erlege – direkt auf der Weide. „Alles andere wäre für sie ein unzumutbarer Stress.“ Seine Simmentaler Rinder dagegen würden im so genannten Dunkelraum des Schlachthauses getötet. „Die Tiere werden von vorn geschossen. Sie sind sofort tot und werden mit dem Kettenaufzug nach oben gezogen.“ Wie viele Tiere er denn überhaupt so schlachte, will Jörg Nitschke (55) wissen. „Im Jahresdurchschnitt sind's jede Woche zwei Tiere“, so Schulte-Stade.

Bewirtet wurden die Teilnehmer von WAZ öffnet Pforten anschließend auf dem Schultenhof in Hattingen.
Bewirtet wurden die Teilnehmer von WAZ öffnet Pforten anschließend auf dem Schultenhof in Hattingen. © Fischer

Teilnehmer kommen ganz nah an die Tiere heran

Inzwischen sind die Auerochsen in Sichtweite – bis auf etwa 50 Meter fährt Höller an sie ran. So nah hat noch niemand der 23 WAZ-Aktions-Teilnehmer die Tiere gesehen – nicht nur Lionel (7) in Begleitung seiner Großeltern Karin Apel (67) und Peter Hupperich (70) staunt. Klar, dass viele ihre Handys für ein Foto zücken – ehe der Trecker zurück sie zum Hof fährt. Wo schon ein leckerer Rinder-Gulasch auf die WAZ-Leser wartet . . .

Keine Gülle, kein Dünger, kein Glyphosat im Einsatz

Artgerechte Tierhaltung ist Alfred Schulte-Stade eine Herzensangelegenheit, seit 14 Jahren ist er auch „Bioland“-zertifiziert. „Vorher hat mir das Kontrollsystem nicht gefallen. Ich fand es zu lax.“ Keine Gülle, kein Dünger, kein Glyphosat komme auf seinem Hof zum Einsatz, verrät der Winz-Baaker, der von sich selbst sagt, er habe „die Landwirtschaft mit der Gastronomie gepaart“. Und betont: „Wir produzieren alles ökologisch.“

Viele interessante Einblicke in die Arbeitsweise des Schultenhofs gibt er den WAZ-Leserinnen und -lesern, nach rund eineinhalb Stunden belohnen die das mit viel Applaus.

Artgerechte Tierhaltung kostet mehr

„Sehr schön und sehr informativ“ fanden etwa Christa (63) und Wolfgang Halm (69) den Vormittag auf dem Schultenhof. Elfi (69) und Klaus Janzen (72) sind derweil „ganz erstaunt darüber, wie riesig das Weidegelände des Schultenhofs tatsächlich ist. Das hätten wir so nicht erwartet“. Und Christiane Neuhaus (44), die in Nordhessen auf dem Land aufgewachsen ist und dort regelmäßig bei Hausschlachtungen dabei war, sagt: „Das Konzept des Schultenhofs gefällt mir sehr gut.“

Schulte-Stade, auch ein leidenschaftlicher Jäger, wirbt dafür, weniger Fleisch zu essen. Tiere artgerecht zu halten, sei nicht möglich, wenn ein Kilo Kotelett für 3,80 Euro verkauft werde. „In der normalen Haltung wird ein Bulle in 17 Monaten auf 430 Kilo Schlachtgewicht gebracht, ich schaffe es in 35 Monaten auf 250.“ Da schlucken manche. Und Peter Hupperich verrät: Eigentlich esse er gern Fleisch, „aber die Massentierhaltung ist für mich meistens eine Bremse“. Wenn die Tiere indes so gehalten werden wie auf dem Schultenhof, „habe ich ein viel besseres Gefühl“.

WAZ öffnet Pforten geht im kommenden Jahr weiter

Seit 2013 veranstaltet die WAZ Hattingen in den Sommerferien ihre Aktion „WAZ öffnet Pforten“. Exklusiv werden unseren Leserinnen und Lesern Türen geöffnet, die gemeinhin verschlossen sind, Einblicke gewährt, die Otto Normalverbraucher verwehrt bleiben, Erfahrungen und Erlebnisse vermittelt, die es so nicht zu kaufen gibt. Mit dem Besuch des Schultenhofes ist die Aktion für dieses Jahr nun beendet.

2019 öffnet die WAZ aber neue Pforten, sorgt in den Ferienwochen zum dann siebten Mal für besondere Sommermomente.