Hattingen. . Hattingens dienstjüngste Schulleiterin Tanja Tönshoff (42) und der scheidende Direktor Gerd Buschhaus (64) sprechen im Interview über ihren Job.
Sie begleiten Schüler von ihrer Einschulung bis zum Abitur, die eine an der Erik-Nölting-Grundschule, der andere am Gymnasium Holthausen. Im WAZ-Interview reden die Schulleiter Tanja Tönshoff (42) und Gerd Buschhaus (64) über ihre Wege in den Beruf, über Bürokratie und ihre Wünsche für die Hattinger Schullandschaft.
Frau Tönshoff, Herr Buschhaus, wie erleben Sie Ihre Jobs? Und haben sich die Aufgaben verändert seit ihren Anfängen in der Schulleitung?
Tönshoff: Nun, ich bin ja noch nicht so lange Schulleiterin. Aber ich muss sagen: Ich finde es erstaunlich, wie viel Bürokratie mit dieser Tätigkeit verbunden ist. Und wie viele Anträge man als Schuleiterin stellen muss, um das Bestmögliche für die eigene Schule herauszuholen. Zum Beispiel, damit wir Integrationskräfte für unsere Kinder bekommen oder um Unterstützung für sinnvolle Unterrichtsmaterialien und Projekt zu erhalten. Oder auch, um die möglichen Unterstützungen für Flüchtlingskinder auszuschöpfen. Das hätte ich vorher so nicht gedacht.
Buschhaus: Ich kann Ihnen sagen, die Aufgaben haben sich über die Jahre stark verdichtet, vieles ist zudem komplizierter geworden, man hat kaum noch Zeit, Luft zu holen. Als ich vor knapp zehn Jahren angefangen habe als Schulleiter, habe ich noch gedacht: Man kann Dinge in Ruhe zu Ende bringen. Das geht heute nicht mehr, Fehler sind im Prinzip mit eingepreist.
Würden Sie denn trotzdem noch einmal Schulleiter werden wollen?
Tönshoff: Ein ganz klares Ja! Es gibt so viele Ziele, die ich in dieser Funktion noch verwirklichen möchte, ich möchte noch so viel bewegen…. Schule nicht nur mit-, sondern an entscheidender Stelle gestalten zu können, das macht mir einfach riesigen Spaß.
Buschhaus: Den Gestaltungsspielrahmen einer Schulleitung halte ich persönlich heutzutage leider für begrenzt. Personalentwicklung, Schulentwicklung: Je länger man diesen Job macht, desto mehr merkt man, wie man immer wieder ausgebremst wird. Nur ein Beispiel: Wenn ein Mitglied des Kollegiums alle Voraussetzungen für eine Beförderung erfüllt hat, aber den neuen Aufgabenbereich erst zwei Jahre macht ohne eine finanzielle Entlohnung nach der höheren Gehaltsstufe, dann führt das beim Betroffenen zu Frust. Und ich als Schulleiter soll diesen Menschen dann noch motivieren – das ist mitunter ganz schön schwierig. Trotzdem würde auch ich mich noch einmal als Schulleiter bewerben.
Unmittelbar haben Lehrer an Grund- und weiterführenden Schulen ja kaum etwas miteinander zu tun. Tauschen Sie sie denn überhaupt miteinander aus?
Buschhaus: Aber klar doch. In Hattingen etwa finden regelmäßig Treffen aller Schulleiter statt, diese sind zwar in letzter Zeit etwas eingeschlafen, aber doch eine Bereicherung. Weil beide Seiten des Systems ja auch voneinander lernen können. So gibt es etwa sehr gute Lehrmethoden an den Grundschulen, die Partnerarbeit etwa oder das Lernen in Teams. Beides gab es früher an den weiterführenden Schulen so nicht, inzwischen aber gehört es auch bei uns dazu.
Tönshoff: Auch wir haben uns manches von weiterführenden Schulen abgeguckt – die Art, wie sich bei Kindern das Interesse für die MINT-Fächer wecken lässt etwa: durch viele Experimente. Und im Fach Englisch beraten wir uns mit den Fachlehrern der weiterführenden Schulen darüber, wie sich Acht- bis Zehn-, Elfjährigen erste Fremdsprachenkenntnisse sinnvoll vermitteln lassen.
Könnten Sie sich eigentlich auch vorstellen, einmal den Job miteinander zu tauschen?
Buschhaus: Ganz ehrlich? Nein! Ich wollte ja nicht einmal in erster Linie Lehrer werden, sondern nur in der Biologie arbeiten. Andererseits ist mir auch mein Klassenlehrer am Gymnasium nie aus dem Sinn gegangen, bei dessen Unterricht ich jedes Mal gedacht habe: Das kannst du besser. Und so bin ich schließlich doch Pädagoge geworden – wenn man so will, war das nicht zuletzt auch eine Entscheidung aus sozialer Verantwortung.
Tönshoff: Als Lehrerin an einem Gymnasium arbeiten? Also ich weiß nicht . . . Den Berufswunsch Grundschullehrerin hatte ich schließlich schon als junges Mädchen. Und es ist bis heute mein Traumberuf. Ich finde es einfach toll, wie Kinder sich in der Grundschulzeit entwickeln, ihre Begabungen entfalten. Das begleiten zu dürfen, das macht mich stolz und glücklich.
Letzte Frage: Was wünschen Sie sich für die Hattinger Schullandschaft?
Buschhaus: Erstens: Mehr Klarheit. Ich finde zum Beispiel, dass das ganze Hin und Her in punkto Schulentwicklungsplan Eltern doch sehr verwirrt. Und zweitens muss es meiner Ansicht nach in dieser Stadt endlich mit der Digitalisierung vorangehen, da hinken wir hinter anderen Städten teils weit hinterher. Das Förderprogramm Gute Schule 2020 etwa, mit dem das Schulministerium NRW langfristig kommunale Investitionen in Sanierung, Modernisierung und Ausbau der Schulinfrastruktur finanzieren will, hat für uns bislang nichts gebracht. Außer neun neue Kreidetafeln (lacht).
Tönshoff: Also ich erlebe die Zusammenarbeit mit der Stadt als gut. Mit dieser zusammen möchten ich und die anderen hiesigen Grundschulleiterinnen, mit denen sehr gut vernetzt bin, gemeinsame Standards für alle Grundschulen in Hattingen entwickeln – sowohl auf personeller Ebene, als auch etwa im Bereich der Digitalisierung. Ich finde, da sind wir auf einem guten Weg.