Hattingen. Ein Obdachloser (37) hat gestanden, einen Mitarbeiter des Jobcenters Hattingen attackiert zu haben. Das Motiv: Seine Leistungen wurden gekürzt.
Weil ihm die Leistungen gekürzt wurden, hat ein Mann am Montag seinen 58-jährigen Sachbearbeiter im Jobcenter in Hattingen mit einem Messer attackiert und verletzt. Die Polizei bestätigte, dass ein 37-jähriger Hattinger das Jobcenter an der Hüttenstraße 45 gegen 15.10 Uhr betrat und seinen Sachbearbeiter schwer verletzen oder sogar töten wollte. Die Staatsanwaltschaft Essen hat die Ermittlungen aufgenommen.
Richter erlässt Haftbefehl
Der Mitarbeiter des Jobcenters befand sich zeitweise in akuter Lebensgefahr. Am Dienstag teilte die Polizei mit, dass sein Zustand inzwischen wieder stabil sei. Der Beschuldigte wurde am Dienstag auf Antrag der Staatsanwaltschaft Essen dem Haftrichter vorgeführt. Es wurde Haftbefehl wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung erlassen.
Der obdachlose Mann ist der Polizei gut bekannt: Eine Polizeisprecherin des Kreises bestätigte auf Nachfrage, dass es in der Vergangenheit bereits Verfahren wegen Bedrohung und Körperverletzung gegen ihn gegeben habe.
Mit einem Messer bewaffnet war der Mann zu seinem zuständigen Sachbearbeiter vorgedrungen und hatte dann unvermittelt auf den Jobcenter-Mitarbeiter eingestochen, erklärt die Polizei. Der Sachbearbeiter erlitt Verletzungen im Bauch- und Oberkörperbereich. Der Geschädigte konnte sich hinter der Zugangstür im Flur in Sicherheit bringen, woraufhin der Täter aus dem Gebäude floh.
Opfer geht es "den Umständen entsprechend"
Wie Fachbereichsleiter Heiner Dürwald am Dienstagmittag erklärte, gehe es dem Mitarbeiter "den Umständen entsprechend gut". Er habe den Sachbearbeiter bereits im Krankenhaus besuchen können.
Der Kollege habe bereits im Vorfeld Probleme mit dem Kunden erwartet. Direkt beim Öffnen der Tür sei er dann von dem 37-Jährigen angegriffen worden.
Dass die Mitarbeiter im Jobcenter die Aggressionen der Kunden zu spüren bekommen, ist laut Dürwald kein Einzelfall. Es sei nicht so schlimm wie in den Großstädten, aber ab und an müsse die Polizei kommen. "Es ist schwierig, die richtige Balance zwischen Vorsicht und Zuwendung zu finden für unsere Bezugsberechtigten."
Verdächtiger gesteht die Tat
Die Polizei konnte den Verdächtigen wenig später festnehmen. Der Mann leistete keinen Widerstand und gestand den Angriff. Er gab als Motiv an, dass ihm Leistungen gekürzt worden seien. Die Tatwaffe, die er auf seiner kurzen Flucht weggeworfen hatte, konnte aufgefunden und sichergestellt werden.
Die Mordkommission in Hagen hat die Ermittlungen übernommen. Der Beschuldigte wird am Dienstag dem zuständigen Haftrichter vorgeführt.
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Der öffentliche Bereich des Jobcenters ist am Dienstag wie gewohnt von 8 bis 12 Uhr geöffnet gewesen. Alle Mitarbeiter seien erschienen, erklärte der Regionalstellenleiter Jürgen Ubowski am Mittag. Hätten sich Kollegen nicht in der Lage gefühlt, wären sie begleitet oder vertreten worden. Insgesamt arbeiten 55 Frauen und Männer am Standort Hattingen.
Kreisverwaltung drückt Anteilnahme aus
Auch der Landrat des Ennepe-Ruhr Kreises, Olaf Schade, war am Dienstag vor Ort. „Alle sind darüber entsetzt und schockiert. Denn klar ist ohne Wenn und Aber: Eine solche Tat ist nicht zu rechtfertigen, auch nicht dadurch, dass sich der Täter durch eine Leistungskürzung vermutlich in einer schwierigen Lage befunden hat. Eine solche Tat ist schlicht hinterhältig und feige“, so Schade. Die Anteilnahme der Kreisverwaltung gelte der Familie des Mitarbeiters.
Mann ersticht Jobcenter-Mitarbeiterin in Neuss
Brutale Angriffe auf Jobcenter-Angestellte gibt es immer wieder. In vielen Gebäuden wurden deshalb sogar Alarmknöpfe installiert, nachdem eine Mitarbeiterin des Jobcenter Neuss im September 2012 von einem Mann niedergestochen worden war. Die 32-jährige Frau erlag ihren schweren Verletzungen wenig später im Krankenhaus.
Entsetzen über Messerattacke
Nach der Messerattacke haben der Deutsche Landkreistag und die Gewerkschaft Komba bestürzt auf die Tat reagiert. "Bereits in der letzten Woche hatten wir mit der Attacke auf den Bürgermeister von Altena einen gewalttätigen Angriff auf einen Amtsträger zu beklagen", sagte der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager, am Dienstag. Die Mitarbeiter in den öffentlichen Verwaltungen würden sich mit großem Engagement für die Bürger einsetzen. Dazu gehörten manchmal auch Behördenentscheidungen, mit denen die Betroffenen nicht einverstanden seien.
Der Vorsitzender der Komba Gewerkschaft NRW, Andreas Hemsing, sagte: "In solch verabscheuungswürdigen Taten manifestieren sich der mangelnde Respekt untereinander und die Verrohung der Gesellschaft. Entscheidungen nicht nachvollziehen zu können ist das eine, aber diese gleich in verbaler oder tätlicher Gewalt münden zu lassen, ist vollkommen unverständlich und darf nicht geduldet werden." (mit dpa)