Hattingen. . Auf Hattingens evangelischem Friedhof gibt es einen Trauerparcours: Er lässt Besucher die fünf Trauerphasen nachempfinden - nachhaltig.

  • Auf dem evangelischem Friedhof lässt ein Trauerparcours Besucher die fünf Trauerphasen nachempfinden
  • Auf Einladung von Kick stellte Arif Rahimi von der Friedhofsverwaltung sie Seniorinnen vor
  • Der Sturz ins „Bodenlose“, der aufs Durchschreiten eines Vorhang folgte, symbolisiert Schock über den Verlust

„Wie tröstlich“, sagt Karla (72), „dass heute die Sonne scheint.“ Sonst würde sie der Besuch des Trauerparcours auf dem evangelischen Friedhof wohl noch trauriger stimmen. Zusammen mit drei weiteren Frauen ist die Hattingerin an diesem Montag der Einladung des Städtischen Treffs Kick gefolgt, sich diese noch junge Anlage von Arif Rahimi (47), dem stellvertretenden Friedhofsverwalter, erläutern zu lassen. Mit ihren einzelnen Stationen, an denen Besucher sich mit den fünf Gefühlsphasen der Trauer auseinandersetzen können.

Schock

„Angst“ steht in großen Lettern auf einer Tafel geschrieben, auch „Panik“, „Schock“, „erschüttert“, „fassungslos“. Worte, die Gefühle Trauernder unmittelbar nach dem Tod eines geliebten Menschen trefflich beschreiben, wie Karla findet.

Arif Rahimi von der Friedhofsverwaltung an der Station zum Thema „Schock“ – mit dem Gang durch den Metallvorhang und dem folgenden Sturz ins „Bodenlose“.
Arif Rahimi von der Friedhofsverwaltung an der Station zum Thema „Schock“ – mit dem Gang durch den Metallvorhang und dem folgenden Sturz ins „Bodenlose“. © Volker Speckenwirth

Gerade erst hat sie mit den anderen Frauen hier an der Infotafel über die fünf Phasen der Trauer noch geredet über entfernte, ihnen nahestehende und sehr nahestehende Verstorbene und was für ein Schock der Tod sein kann. Und jetzt sollen die Seniorinnen 70 plus sich mit dieser Emotion spielerisch auseinandersetzen: Über eine Rampe geht’s durch einen Vorhang aus Metallfäden.Dann folgt ein Fall von etwa einem halben Meter – Symbol für den Sturz ins „Bodenlose“, den Trauernde körperlich wie seelisch oft empfinden.

Alle probieren die Station aus – außer Erika (90). „Der Tod“, sagt sie nur, „kommt immer überraschend.“

Zorn

Eine mit Wasser gefüllte Walze gilt es an Station zwei auf zwei Schienen leicht bergauf zu bewegen – Symbol für die Sisyphusarbeit, die Trauerbewältigung ist. Und für den Zorn über den Verlust, der dem Schock folgt.

Er habe schon oft Menschen an den Gräbern stehen und schimpfen sehen, erzählt Arif Rahimi, dass Menschen in dieser Phase versuchten, (irgend)-jemanden für den erlittenen Verlust verantwortlich zu machen. Derweil sagt Inge Berger (79) vom Kick, der Trauerparcours sei „auch eine Hilfe, um zu sehen, wo ich selber in meiner Trauerarbeit stehe“.

Unsicherheit

Über drei etwa drei Meter lange, immer höher werdende Bordsteinstücke gilt es nun zu balancieren. Erika passt. Ebenso Ursula (74), sie hat Probleme mit dem Gleichgewicht. Und auch Edeltrud (85) traut sich erst, als ihr Inge Berger die Hand reicht. Doch eine hilfreiche Hand sehen Trauernde in Trauerphase drei (noch) nicht. Ebenso wie bei diesem Gang über einen schmalen Grat geraten sie rasch aus dem Gleichgewicht.

Rückzug, dann Akzeptanz

Was folgt, ist: Rückzug. Dass sie in dieser Trauerphase oft in Gemeinschaft noch einsamer gefühlt habe als allein zu Haus, verrät dabei etwa Ursula. Trotzdem sei sie irgendwann nach dem Verlust des Partners wieder ausgegangen.

© Volker Speckenwirth

„Am Ende der Trauer“, so Inge Berger, „beginnt ein neues Kapitel im Leben.“

Beim Trauer-Parcours wird dies verdeutlicht mittels eines engen Ganges durch einen zunächst undurchsichtigen, später immer mehr Licht durchlassenden Sichtschutz aus Holz. „Man kann“, findet Ursula, „das alles gut nachvollziehen.“

Viel reden will jetzt indes keiner hier mehr. Es scheint, als halle das Thema Trauer bei allen noch einmal nachhaltig nach.

>>> Wissenswertes rund um den Trauerparcours

Der Trauerparcours auf dem evangelischen Friedhof an der Bredenscheider Straße ist frei zugänglich. Er wurde offiziell im November eröffnet. Die Baukosten liegen laut Friedhofsverwaltung im fünfstelligen Bereich.

Gruppenführungen können über die Friedhofsverwaltung vereinbart werden: 95 49 20, E-Mail: friedhof@kirche-hawi.de