Gladbeck. Schubkarrenumzug in Gladbeck-Rosenhügel: Da ist eine Menge los. Von neonpinkem Wahlkampf, Alkohol und Helge-Schneider-Humor.

Es liegt etwas in der Luft. Vorfreude auch, ja, in erster Linie aber der beißende Geruch sehr süßen Likörs. Die Gladbecker Narren scharren mit den Hufen an diesem Sonntagmittag, „Tulpensonntag“, wie der Profi sagt. Der Schubkarrenumzug durch Rosenhügel steht in nicht einmal einer halben Stunde bevor, der Gladbecker Karneval erreicht seinen Höhepunkt. Auf dem Bürgersteig vor der Südparkschule knubbeln sich die Kostümierten, passend zum Super Bowl in der Nacht zu Montag sind Football-Kostüme äußerst beliebt, ganz besonders die von den Kansas City Chiefs, quasi das Bayern München der NFL: Rot und gewinnen immer.

Auch interessant

Aus der mobilen Box singt einer was von einer superjeilen Zick, wer jetzt nicht mit dem rheinischen Vokabular gesegnet ist, muss erstmal verstehen, dass es da gar nicht um eine attraktive Frau geht. Letztendlich ist es ja auch egal, Hauptsache viel Bumms und ein bisschen Lalala zum Mitgrölen. Die 19 Gruppen, die auf dem Schulhof die Wartezeit mit Bierchen und Konsorten totschlagen, haben natürlich ihre eigenen Boxen dabei, Kakophonie pflegt man da zu sagen, aber der Karneval ist die einzige Zeit des Jahres, in der dieses Wirrwarr aus Gebrülle, Blechbläserei und Texten über Alkohol irgendwie einen Reiz hat.

Fußball, Bier und Europa: Die Gruppen beim Gladbecker Schubkarrenumzug sind kreativ und durstig

Das Rathausteam, bekannt vom Rathaussturm zu Altweiber, läuft heute auch mit, Teamkapitänin, Torhüterin und Neonliebhaberin Bettina Weist macht mit jeder Gruppe ein Erinnerungsfoto, ist das noch Bürgernähe oder schon Wahlkampf? Man weiß es nicht, vielleicht liegt die Antwort auf dem Boden des nächsten Stauders. Alle Blicke auf sich ziehen derweil andere, eine Gruppe, ganz in Blau gewandet, mit einem Kranz aus zwölf goldenen Sternen drauf – keine Frage, das ist Europa. Warum? „Im Lichte der Europawahl wollten wir halt zeigen: Europa ist wichtig. Shoppen in Mailand, Frikandel in Holland, das geht nur mit Europa.“ Was soll man da erwidern?

Für alle etwas: Beim Schubkarrenumzug in Gladbeck ging es gerade für die kleinen Jecken natürlich vor allem um Kamelle.
Für alle etwas: Beim Schubkarrenumzug in Gladbeck ging es gerade für die kleinen Jecken natürlich vor allem um Kamelle. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Und dann endlich jeht et Trömmelche. Der Zug setzt sich mit alemannischer Pünktlichkeit um sehr unkarnevalistische 13.30 Uhr in Bewegung, und gerade die unzähligen jungen Besucher entlang der Strecke tippeln nervös mit den Füßchen – die Kamelletasche sollte nachher schließlich möglichst voll sein. Kein Grund zur Sorge, die Schubkarrengruppen geizen nicht mit Süßkram, und für danach schmeißen sie sogar Zahnpasta-Tübchen – so viel Effizienz, da soll noch einer behaupten, an Karneval ginge es nur ums Saufen.

Kostüme beim Gladbecker Schubkarrenumzug: Verkehrshütchen und Schalker Optimistinnen

Nein, Karneval geht es ja mindestens noch ums Verkleiden. Und da geben sich die Gladbecker auch in diesem Jahr keine Blöße, nicht die im Zug, und auch nicht die am Straßenrand. Superhelden, Polizisten, Pixar-Charaktere, das kennt man, aber ein junges Mädchen geht kurzerhand als Verkehrshütchen. Ob das ein Seitenhieb auf die Gladbecker Baustellensituation ist – die Landstraße ist ja nicht so weit – oder eine präpubertäre Form jenes dadaistischen Humors, der Helge Schneider so berühmt gemacht hat, bleibt ihr Geheimnis. Dann laufen zwei Frauen mit Schalke-Schals vorbei. „Die gehen als Optimistinnen“, raunt einer.

Karneval ohne Altersgrenzen: Beim Schubkarrenumzug in Gladbeck feierten alte und junge Jecken gleichermaßen – und alle dazwischen auch.
Karneval ohne Altersgrenzen: Beim Schubkarrenumzug in Gladbeck feierten alte und junge Jecken gleichermaßen – und alle dazwischen auch. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Die Gruppenkostüme im Schubkarrenzug dagegen sind ziemlich eindeutig, aber nicht minder beeindruckend. Erst kommen die Schornsteinfeger, inklusive qualmendem Bollerwagen, dann die „Schubnarren für den Frieden“, eine minimal stereotyp-mexikanische Gruppe inklusive Kapelle, ein Haufen wilder Hühner, die Weist-Elf, und, und, und. Hinten spielt eine Kapelle Martinslieder und Jingle Bells. Aber ist ja Karneval, also warum nicht?

Noch mehr Bilder vom Karneval 2024 in Gladbeck:

Der Zug biegt gerade auf die Vehrenbergstraße, da ziehen die Jecken schon weiter. Echte Veteranen wissen natürlich, wo sie den Zug ein zweites Mal erwischen. Derweil wartet eine Pfandsammlerin geduldig auf ihren Einsatz, die Narren sind durstig heute. Merkt man schon an diesem beißenden Geruch sehr süßen Likörs.