Gladbeck. Die Anhörung von Kindern bei Sexualdelikten ist ein sehr sensibles Thema. Wie sich die Polizeibörde Recklinghausen dafür neu aufgestellt hat.

Als „dunkel und trist“ beschreibt Corinna Kutschke den früheren Anhörungsraum für Kinder im Recklinghäuser Polizeipräsidium. Doch das ist nun nach eineinhalbjähriger Renovierung Vergangenheit: „Der Raum ist jetzt hell und modern eingerichtet, mit bunten Kissen, Sitzsäcken, einer Sitzecke und Spieltreppe. Und auch die Aufnahmetechnik ist wesentlich besser“, so die Sprecherin der Polizeibehörde Recklinghausen, die für Gladbeck und auch für Bottrop zuständig ist.

Der Anhörungsraum wird meist im Zusammenhang mit Sexualdelikten genutzt – hier geht es oft um sexuellen Missbrauch, auch um sexuelle Nötigung, Exhibitionismus oder Kinderpornografie. Eine schwierige Situation für die Jungen und Mädchen, die sich zudem in einer für sie fremden Umgebung befinden. Der kindgerechte Anhörungsraum soll dazu beitragen, die persönlich betroffenen Kinder und Jugendlichen behutsam in einem für sie angenehmen Umfeld zu befragen und zur Sache anzuhören.

Den Polizei-Ermittlern ist es wichtig, auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen

Auf diese Weise versuchen die Ermittlerinnen und Ermittler möglichst umfangreiche und zuverlässige Informationen zu erlangen und gleichzeitig auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen. „Wir wollen die Gefahr einer Retraumatisierung für die Kinder so gut wie möglich ausschließen. Das ist uns sehr wichtig“, erklärt Kriminalhauptkommissarin Sarah Brüggemann, die sich der Neugestaltung persönlich angenommen hat. Notwendig ist der Anhörungsraum leider immer wieder, wie auch ein Blick in die Kriminalstatistik für den Polizeibezirk Recklinghausen zeigt: Hier werden für das Jahr 2021 unter anderem 155 Taten sexuellen Missbrauchs von Kindern aufgeführt, es gab 175 Fälle von Besitz oder Verschaffung von Kinderpornografie. In beiden Bereichen ist die Tendenz im Vergleich zu 2020 steigend.

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Neben der kindgerechten und freundlichen Einrichtung des Anhörungszimmers war bei der Renovierung die zeitgemäße technische Ausstattung ein wichtiger Aspekt. „In dem Raum sind Kameras und hochempfindliche Mikrofone verbaut, die jeden Zentimeter des Studios erfassen. So kann sich das Kind während der audiovisuellen Anhörung frei im Raum bewegen. Das kommt seinem Bewegungsdrang sehr entgegen und lässt es gelöster in die Situation eintauchen“, erläutert Corinna Kutschke.

Eine gerichtsverwertbare Aufzeichnung ist in dem neuen Anhörungsraum sichergestellt

Hier gibt es Hilfe

Woran kann ich sexuellen Missbrauch erkennen, was kann ich im Verdachtsfall tun? Informationen der Polizei Recklinghausen gibt es unter: recklinghausen.polizei.nrw/artikel/sexueller-missbrauch-von-kindern-und-jugendlichen-0. Für Beratungen steht zudem das Kriminalkommissariat für Opferschutz und Prävention zur Verfügung: 02361/55 3344.

„Während die Technik heute die Anhörungssequenzen aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln aufzeichnet, musste man die Kinder in dem alten Anhörungsraum in einer Ecke halten, damit der Ton aufgenommen wurde. Das funktioniert nicht, in dem neuen Zimmer ist das wesentlich besser“, betont die Sprecherin. So kommt die aktuelle Technik einerseits dem Verhalten des Kindes entgegen, andererseits gewährleistet sie eine lückenlose und gerichtsverwertbare Aufzeichnung für das Strafverfahren. Ziel sei es, dadurch eine mehrmalige Vernehmung von Kindern und Jugendlichen zu vermeiden und die seelische Belastung der Minderjährigen so gering wie möglich zu halten, sagt Sarah Brüggemannn.

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Die Anhörung von Kindern wird nur durch speziell fortgebildete Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter vorgenommen. Diese versuchen, von vornherein beim Kennenlernen oder gemeinsamen Spiel einen guten Draht zu den Kindern zu bekommen, berichtet Corinna Kutschke. „Das ist aber individuell verschieden. Es ist wie bei den Erwachsenen auch: Nicht jeder kann mit jedem. So schauen wir noch vor der Anhörung, dass Kind und Ermittler gut harmonisieren“, erläutert Sarah Brüggemann. Für sie steht fest: „Je sorgsamer wir arbeiten, desto unwahrscheinlicher ist es, dass das Kind noch einmal vor Gericht befragt werden muss.“ Und Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen ist sich sicher: „Mit der Neuausgestaltung des kindgerechten Anhörungsstudios sind wir einen großen Schritt weiter in den ermittlungstaktischen Ansätzen.“