Gladbeck. Rouven Boermann ist Scheidungsanwalt in Gladbeck. Er erklärt, woran die meisten Ehen scheitern und berichtet von seinen verrücktesten Fällen.

Der 35-jährige Rouven Boermann ist seit 2019 Fachanwalt für Familienrecht und Scheidungsanwalt in Gladbeck. Bei ihm hat die Liebe in der Regel ihre Endstation erreicht. Doch von der Trennung bis zur endgültigen Scheidung steht den Ehepartnern oft ein langer und schmerzhafter Weg bevor. Boermann begleitet sie auf diesem Weg und weiß, woran viele Ehen scheitern.

Herr Boermann, warum haben Sie sich auf Familienrecht bzw. Scheidungen spezialisiert?

Ich habe immer nach einem Rechtsgebiet gesucht, bei dem ich wirklich etwas bewirken und weiterhelfen kann. Als Scheidungsanwalt bin ich nah an den Menschen dran und begleite sie in einer sehr emotionalen Phase ihres Lebens. Da erfährt man sehr viel Dankbarkeit.

Was unterscheidet Scheidungen von anderen Rechtsgebieten?

Gerade, weil oft Kinder im Spiel sind, kann es sehr emotional werden. Ein Kind muss bei einer Scheidung in der Regel wirklich eine Menge mitmachen und wird nicht selten auch als Druckmittel benutzt. Aber auch die Ehegatten brauchen neben all dem bürokratischen Aufwand sehr viel seelische Unterstützung. Bei mir können sich die Mandanten erstmal richtig ausreden. Ich bin da quasi wie ein Psychologe.

Das Wohl der Scheidungskinder scheint Ihnen sehr am Herzen zu liegen. Sind sie selbst ein Scheidungskind?

Nein, ganz im Gegenteil. Ich hatte privat noch nie mit Scheidungen zu tun. Ich bin in einer harmonischen Familie aufgewachsen und führe selbst auch eine glückliche Ehe, habe zwei Kindern.

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Wie läuft eine Scheidung eigentlich ab?

Erstmal muss bestätigt werden, dass man bereits seit einem Jahr von seinem Ehepartner getrennt lebt. Wenn das gegeben ist, kann der Scheidungsantrag gestellt werden. Dann müssen von beiden Partnern viele Auskünfte gesammelt werden, wie die Höhe des Rentenanspruchs, die Einkünfte, Vermögen durch Immobilien und so weiter. Diese werden dann bewertet und im Idealfall so aufgeteilt, dass kein Ehepartner nach der Scheidung mit weniger dasteht. Wenn sich beide einig sind, kann das in wenigen Wochen erledigt sein. Doch wenn über das Vermögen gestritten wird, kann so eine Bewertung auch mal bis zu fünf Jahren dauern. Die eigentliche Scheidung ist dann am Ende eine Sache von zehn Minuten. Das Ehepaar wird gefragt, wann es geheiratet hat, wann die Trennung war und ob man wirklich geschieden werden möchte.

Haben Sie schonmal erlebt, dass Letzteres mit Nein beantwortet wurde?

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Ja, tatsächlich schon zwei Mal. In einem Fall war das Paar seit 20 Jahren verheiratet und war sich dann plötzlich nicht mehr sicher. Das kann vorkommen, da der Scheidungsprozess ja schon eine Weile dauert. In der Zeit können sich die Gefühle noch mal ändern. In beiden Fällen kam es am Ende aber dann doch noch zur Scheidung.

Was waren die verrücktesten Gründe für eine Scheidung?

Die Gründe sind meistens nicht so verrückt. Meistens haben sich die Paare auseinandergelebt, oder einer hat den anderen betrogen. Besonders kurios ist es, wenn sich Partner nach einem halben Jahr Ehe schon wieder scheiden lassen wollen, oder wenn ein Mandant mit der Scheidung drängt, weil schon wieder die nächste Ehe geplant ist und bereits das nächste Kind im Anmarsch ist.

Wie lange sind die meisten Scheidungspaare verheiratet gewesen?

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Die meisten stehen mit 35 bis 45 Jahren mitten im Leben und haben Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren. Wenn beide Elternteile wieder früh anfangen zu arbeiten und der Druck im Alltag hoch ist, kommt dadurch leider häufig die Beziehung zu kurz. Ich habe aber auch schon Ehegatten geschieden, die schon rund dreißig Jahre verheiratet waren und sich kurz vor der Rente scheiden ließen. Da erleben Menschen oft noch mal einen Wendepunkt in ihrem Leben, wenn sie zuvor hauptsächlich unzufrieden waren. Mein jüngstes Scheidungspaar war Mitte zwanzig, aber sowas kommt wirklich sehr selten vor.

Welche Fälle sind Ihnen am stärksten in Erinnerung geblieben?

Alle Fälle, die mit häuslicher Gewalt zu tun haben, gehen mir immer sehr nah. Ich hatte mal ein Paar, das schon mit 18 Jahren geheiratet hat und sehr viele gemeinsame Kinder hatte. Im persönlichen Gespräch habe ich direkt gemerkt, dass die Frau psychisch sehr belastet war. Irgendwann hat sie mir anvertraut, dass sie von ihrem Mann häufig zum Geschlechtsverkehr gezwungen wurde und dadurch auch teilweise die Kinder entstanden sind. Bei solchen Fällen hole ich dann auch Kollegen hinzu, die sich auf das Strafrecht spezialisiert haben.

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Bei einem weiteren Fall, der mir lange nicht aus dem Kopf ging, musste ein Vater vier Jahre um das Umgangsrecht für seine Kinder kämpfen. Er war mein Mandant, und ich hatte wirklich das Gefühl, dass er ein guter Vater ist. Seine Kinder haben sogar versucht, heimlich den Kontakt über ein Videospiel mit ihm aufzunehmen. Als Vater konnte ich mich gut in die Lage meines Mandanten reinversetzen, das war wirklich schlimm.

Zweifeln Sie manchmal an der wahren Liebe?

Nein, auf keinen Fall. Manchmal ist eine Scheidung einfach die beste Lösung für alle Beteiligten. Von einer künstlichen Ehe halte ich gar nichts. Man muss sich eben um seinen Partner kümmern. Da ich selbst zwei Kinder habe, weiß ich, wie herausfordernd es ist, sich im Berufsalltag noch Zeit füreinander zu nehmen. Aber ich kenne meine Frau schon seit ich 17 Jahre alt bin. Wir haben beide Jura studiert und sind ein eingespieltes Team mit unseren Kindern.