Gladbeck. Viele Menschen fühlen sich beim Thema Tod hilflos, da Wissen zur Sterbebegleitung oft fehlt. VHS-Kurs mit dem Hospiz-Verein in Gladbeck hilft.
Auf den ersten Blick möchte man meinen, dass es sich um einen Druckfehler im Programmheft handelt. Denn Interessierte konnten sich nicht zum „Erste-Hilfe-Kurs“, sondern zum „Letzte-Hilfe-Kurs“ bei der Volkshochschule Gladbeck anmelden. Es ging aber genau darum: Zu erfahren, wie sterbenden Menschen ihre letzten Tage und Stunden von betreuenden Angehörigen oder anteilnehmenden Menschen so angenehm wie möglich gestaltet werden können. „Denn die Unsicherheit ist oft groß, dabei etwas falsch machen zu können“, so die Kursleiterin, Beate Letzel, Koordinatorin des Hospiz-Vereins Gladbeck.
Jeder, der einen Führerschein mache, lerne im vorgeschriebenen Erste-Hilfe-Kurs, was bei Unfällen getan werden kann, „um Verletzten zu helfen und Leben zu retten“. Anders sehe es beim Sterben und bei Sterbenden aus. Sei beispielsweise der letzte Weg der Großmutter oder eines Angehörigen früher in der Regel Teil des Familienlebens im häuslichen Umfeld gewesen, so habe sich das Gesellschaftsbild heute geändert. Der Sterbeprozess finde nun häufig in Krankenhäusern und Seniorenheimen statt. Entsprechend gering sei die Erfahrung Angehöriger mit dem Tod, und umso größer die Sorge, Sterbende nicht richtig begleiten zu können.
Lesen Sie auch:
- Impfpflicht: Diskussion über die Corona-Impfpflicht bewegt die Gladbecker.
- Pflegepersonal: Ungeimpfte Personal in Gladbeck droht die Kündigung.
- Impfstoff: Gladbeck warten auf den neuen Impfstoff.
- Altenheim: Corona-Ausbruch in einem Seniorenheim in Gladbeck.
Umfrage zeigt, dass sich viele Menschen mehr Information wünschen
Das habe eine Umfrage des Hospiz- und Palliativverbands 2017 bestätigt. Dabei habe der Großteil der Befragten angegeben, „gerne mehr Informationen zur Begleitung Sterbender zu erhalten“, so Beate Letzel. Dies bestätigten Teilnehmende, die sich zum Letzte-Hilfe-Kurs eingefunden hatten. Zum Beispiel Gertrud: „Seit eineinhalb Jahren Pflege ich meine Mutter, die bald 90 Jahre alt wird und wir bereiten uns schon beide auf ihr Ableben vor“, berichtete die 63-Jährige. Sie erhoffe sich Informationen, „um möglichst natürlich“ und so gelassen wie ihre Mutter mit dem Tod umgehen zu können.
Der Letzte-Hilfe-Kurs, der für Menschen ohne medizinischen oder pflegerischen Hintergrund konzipiert wurde, konnte aber auch Unsicherheiten bei Berufspraktikern beseitigen. Etwa bei Sabine, die als Pflegerin in einem Gladbecker Seniorenheim tätig ist. Sie habe schon einige sterbende Bewohner begleitet, dabei versucht, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen und etwa „leise Musik angemacht“, oder die Hand gehalten, so die 52-Jährige. Sie erhoffe sich nun Bestätigung oder Tipps, was sinnvoll ist und was nicht, um die sterbenden Bewohner gut begleiten zu können. Auch diejenigen, die sich nicht mehr zu ihren Befindlichkeiten äußern.
Begleitpersonen können auf nonverbale Signale des Sterbenden achten
Es gelte auf nonverbale Signale zu achten, so Beate Letzel. „Ob zum Beispiel die Hand, die man halten möchte, weggezogen wird oder nicht. Und ob abgespielte Musik eine sichtliche Unruhe auslöst, oder der Sterbende entspannt.“ Die Idee der Letzen-Hilfe-Kurse stammt vom Palliativmediziner und Notarzt Dr. Georg Bolling aus Schleswig. Vermittel wurden im Vortrag vier Module: „Sterben ist Teil des Lebens“, „Vorsorgen und Entscheiden“, „Leiden lindern“ und „Abschied nehmen“.
+++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook+++
Beatel Letzel beantwortete dabei auch eine Frage, die sicher viele Angehörige interessiert: Wie erkenne ich, dass ein Mensch stirbt? Dies äußere sich in einer veränderten Bewusstseinslage, manchmal Verwirrung, immer weniger Reaktion auf Ansprache. Auch der Berührungssinn, die Mimik sowie die Atem- und Kreislauftätigkeit verändere sich. Letztere, weil die Organe des Körpers ihre Funktion einstellen. Der nahende Tod könne beim Betroffenen auch zu einer psychischen Veränderung und Unruhe führen, „weil dieser sich Sorgen um die zurückbleibenden Angehörigen macht“.
Die palliative Versorgung lindert körperliche Beschwerden auf dem letzten Weg
Hierauf wurde im zweiten Modul eingegangen. Dass es hilfreich ist, rechtzeitig wichtige Dinge zu regeln und Vorsorge mit einer Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung zu treffen. Dabei sollten die fünf W´s der Vorsorgeregelung beantwortet werden: Was ist mir am Lebensende wichtig? Wer soll für mich entscheiden? Wo und wie will ich gerne sterben? Wann hat das Leben für mich noch eine Sinn? Auf die letzte Hilfe der Angehörigen wurde wieder stärker der Fokus im Modul „Leiden lindern“ gerichtet.
Sterbe- und Trauerbegleitung
Der Hospiz-Verein Gladbeck bietet Sterbebegleitung zu Hause, in stationären Pflegeeinrichtungen und im Krankenhaus an. Ehrenamtliche Mitarbeitende werde regelmäßig zur Sterbebegleitung ausgebildet. Der Hospiz-Verein berät zu Möglichkeiten der Patientenverfügung und zur palliativen Versorgung und stellt bei Bedarf den Kontakt zum palliativen Netzwerk her.Ein weiteres Angebot ist die mitfühlende Trauerbegleitung durch die zertifizierte Trauerbegleiterin und Koordinatorin des Hospiz-Vereins, Beate Letzel. Aktuell ist zudem eine Trauergruppe in Gründung, die Betroffenen den gegenseitigen Austausch und die Verarbeitung ihres Schmerzes ermöglicht. Kontakt: 98 71 355 oder beate.letzel@hospiz-verein-gladbeck.de
Beate Letzel erklärte, dass die ganzheitlich unterstützende Palliativmedizin sich darauf konzentriere, Beschwerden wie Schmerzen, Atemnot, Übelkeit, Angst, Unruhe, Depressionen oder Schlaflosigkeit in der letzten Lebensphase zu lindern. Dazu sei keine Medikamentenflut nötig, im Grunde reichten vier Medikamente aus. An erster Stelle des palliativen Umsorgens stehe aber, einfach „da zu sein“. „Vertraute Menschen als Begleiter sind das Schönste für den Sterbenden.“
Jeder Zurückbleibende sollte sich seine Zeit zur Trauer nehmen
Die examinierte Krankenschwester und ausgebildete Sterbe- und Trauerbegleiterin unterstrich abschließend, dass jeder Zurückbleibende sich seine Zeit zur Trauer nehmen sollte, die sich ganz individuell zeige, „da gibt es kein richtig oder falsch“. Und dass es dazu auch gesetzliche Möglichkeiten gebe, die oft unbekannt seien. „Wenn der Angehörige im Krankenhaus verstorben ist, besteht die Möglichkeit, den Leichnam vom Bestatter nach Hause überführen zu lassen, damit dort alle Familienmitglieder noch in Ruhe, bis zu 36 Stunden, Abschied nehmen können.“