Gladbeck. Ein 17-Jähriger hat im Streit einen Mann (30) mit einem Messer lebensgefährlich verletzt. Vor Gericht spricht der junge Angeklagte von Notwehr.
Hätte er kein Messer dabeigehabt, wäre es wahrscheinlich nur eine wüste Prügelei geworden. Im August 2020 hat ein 17-Jähriger in Gladbeck einen 30-Jährigen niedergestochen. Jetzt drohen ihm viele Jahre Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft hat am Dienstag sechs Jahre Jugendhaft beantragt – wegen versuchten Totschlags.
Anklagevertreter: Der 17-Jährige hat schwere Schuld auf sich geladen
„Diese Zeit ist zwingend erforderlich“, so der Anklagevertreter in seinem Plädoyer am Essener Landgericht. Der 17-Jährige habe schwere Schuld auf sich geladen, außerdem bestünden massive Erziehungsdefizite. Der Angeklagte selbst wollte am liebsten gar nicht mehr hinhören. Er hielt sich die Hände vors Gesicht und verharrte minutenlang so mit gesenktem Kopf auf seinem Platz.
Hintergrund der beinahe tödlichen Bluttat soll ein Streit um eine 13-Jährige gewesen sein. Wie es heißt, hat sich der 30-Jährige an sie herangemacht, als sie noch die Freundin des Angeklagten war. Das hatte zu wütenden Kommentaren über die sozialen Medien geführt. In der Tatnacht soll der 30-Jährige schließlich vor der Wohnung der Eltern des Angeklagten aufgetaucht sein und mit einer Taschenlampe in die Fenster geleuchtet haben. Kurz darauf eskalierte die Situation.
Das Opfer hat sich Stunden nach der Tat mit letzte Kraft ins Krankenhaus geschleppt
Das Opfer hatte die Schwere der Verletzung offenbar erst gar nicht bemerkt. Der 30-Jährige hatte sich erst Stunden später mit letzter Kraft ins Krankenhaus geschleppt, wo er sofort notoperiert werden musste. Die Klinge hatte sich in seinen Bauch gebohrt, es war zu inneren Blutungen gekommen. Der Angeklagte selbst hatte im Prozess von einer Art Notwehrsituation gesprochen. Er sei von dem späteren Opfer brutal niedergeschlagen und in den Magen getreten worden. Dabei habe er sogar kurz das Bewusstsein verloren.
Wörtlich hat er den Richtern gesagt: „Ich habe dann gesehen, dass der mir mit dem Fuß auf den Kopf treten wollte.“ Er habe es gerade noch geschafft, seinen Körper zur Seite zur rollen. „Der Fuß ist dann 15 Zentimeter neben meinem Kopf auf den Boden gedonnert.“ In dieser Situation habe er schließlich das Messer gezückt. „Da habe ich zugestochen. Ich wusste mir nicht anders zu helfen.“ Schon in derselben Sekunde will er jedoch realisiert haben, was er getan hat. „Ich habe das Blut an dem Messer gesehen und bin in Tränen ausgebrochen.“ Von einer Tötungsabsicht könne keine Rede sein. So sah es auch sein Verteidiger, der viereinhalb Jahre Jugendhaft für ausreichend hält. Für zwei ebenfalls angeklagte Freunde des Hauptangeklagten, die mit dabei waren, hat die Staatsanwaltschaft eine einjährige Bewährungsstrafe beziehungsweise 60 Sozialstunden beantragt. Die Urteile sollen Freitag am Essener Landgericht gesprochen werden.
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