Gladbeck. Die Freizeitstätte Wittringen wird bald 100 Jahre alt. Gladbecks erster OB Jovy hatte in den 1920er Jahren die Idee zur „Volkserholungsstätte“.
Er gilt als Juwel, als Meisterleistung der Stadtplanung und Gartenbaukunst in Gladbeck, ein Park, der schon immer und heute mehr denn je überregionale Anerkennung genießt: Der Wittringer Wald, mit dem die damaligen Stadtväter Weitsicht bewiesen, da diese Grünfläche von Anfang an nicht nur zum Flanieren und Wohlergehen, sondern auch als Sport- und Freizeitstätte angelegt wurde. Bald schon wird Gladbecks größter Park 100 Jahre alt!
Michael Jovy war es, Gladbecks erster Oberbürgermeister, der Anfang der 20er Jahre die Idee zu der „Volkserholungsstätte“ hatte. Er regte den Kauf des Wittringer Waldes vom Freiherrn von Vittinghoff-Schell an, der sich anfangs weigerte, aber 1922 zustimmte – allerdings musste die Stadt erst mit der Enteignung drohen. Der Wald litt zu diesem Zeitpunkt unter großen ökologischen Schäden: Durch Bergabsenkungen hatten die Abwasserbäche keinen kontrollierten Zugang mehr zur Boye, weite Teile des Geländes hatten sich in gefährlichen Sumpf und Morast verwandelt, mehr als 50 Prozent des Waldes galt als ökologisch tot.
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1928 wurde die Volkserholungsstätte Wittringen nach sechs Jahren Bauzeit eingeweiht
Jovy erreichte, dass die Emschergenossenschaft die Bäche regulierte, gleichzeitig begann der Wiederaufbau des Waldes als Volkspark und der Neubau des historisierten Hauses Wittringen, gleichzeitig entstanden die Vestische Kampfbahn und das Freibad – bauliche Zeichen städtischer Entwicklung und seinerzeit schon überregional beachtet. Eingeweiht wurde das Ensemble unter großer Beteiligung im Jahre 1928.
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Die Volkserholungsstätte galt als wichtiger Baustein der Gartenstadt-Idee, nach der Gladbeck in der Gründerzeit städtebaulich entwickelt und durchgrünt wurde. Sie sollte der Gladbecker Bevölkerung, und zwar vor allen Dingen den schwer arbeitenden Bergarbeitern und ihren Familien, die Möglichkeit bieten, „in frischer Luft und schöner Umgebung Erholung zu tanken“, wie es hieß. Aber auch die feinere Gesellschaft Gladbecks nutzte Wittringen zum Flanieren und zur Einkehr – etwa im schon fast vergessenen Lokal Waldfriede, dass dort lag, wo heute der große Spielplatz neben dem Tiergehege zu finden ist.
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Die neue Stadtgärtnerei in Wittringen versorgte Gladbeck mit Blumenschmuck
Neben der neuen Ausflugs-Gastronomie mit nachgebautem Schloss und Teichanlagen konnten sich die Gladbecker schon in jenen Jahren über die ersten Tennisplätze, einen Faustballplatz, Spielwiesen und die Marathonbahn freuen. Der Kernwald wurde erweitert, Spazierwege wurden angelegt samt „reichlich Bänken zum Ausruhen“. Am Westrand entstanden eine Baumschule und eine Stadtgärtnerei, die die städtischen Anlagen mit Blumen- und Grünschmuck versorgen sollten, wie es damals hieß.
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Der Stadtpark sollte aber auch kulturell das Leben fördern: Das einstige Herrenhaus von 1640 wurde stilgerecht in Stand gesetzt und als Heimatmuseum eingerichtet. Auch der 250-Personen-Gildensaal im „Schloss“ (das als ein Schloss-Nachbau und in seiner Funktion eher ein Bürgerhaus war) diente der Verbesserung des Lebensstils in der aufstrebenden Bergarbeiterstadt. Und auf der Freilicht-Waldbühne, die es einst mitten im Wald zwischen Schloss und Bauer Wilms lag, frönten die Gladbecker dem Theater- und Konzertleben. Infolge starker Bergsenkungen verschwand die Waldbühne viele Jahre später. Insgesamt, so konstatieren Stadthistoriker, war der Stadtpark nach sechs Jahren Bauzeit ein regelrechtes Aushängeschild der Gartenstadt Gladbeck.
Die Stadt Gladbeck investierte zuletzt über eine Million Euro in Wittringen
Und das ist er heute noch, so Achim Mirosavljewitsch-Lucyga, der Freiraumentwickler im Ingenieuramt. All die Jahrzehnte habe die Stadt die Parkanlage „behutsam gepflegt und poliert“ – und erweitert: früh in den 30er Jahren das Ehrenmal, später Spielplätze, aber auch Vogelinsel, Vogelwarmhaus und Streicheltiergehege, Grillplätze und freie Tennisplätze oder Bogenschießanlage und Finnenbahn. In den 90er Jahren kam die Ergänzung um den Hotelkomplex Van der Valk. Allein in den vergangenen zehn Jahren wurde mehr als eine Million Euro in die Erhaltung und Instandsetzung investiert – in die Beleuchtung der Ringallee und des Hauptzugangs von der Gildenstraße, in Leitsysteme und Infotafeln, in die Erneuerung und den Bau von Wegen, vielerorts in die Barrierefreiheit.
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Und nun: In die Erneuerung des Baumbestandes, indem ein Großteil der Buchen durch klimaresistentere Bäume ersetzt werden. Der Stadtwald, ist Mirosavljewitsch-Lucyga überzeugt, komme mit seiner Struktur seinen vielfältigen Angeboten den Bedürfnissen der Menschen entgegen. „Und daran wird sich grundlegend nie etwas ändern.“
Viel Grün garantiert Frischluftzufuhr
Wittringen ist 92 Hektar groß – das sind etwa drei Prozent des Stadtgebietes. Etwa zwei Drittel der Fläche ist Wald. Es gibt 14,5 Kilometer Wege und fast 64.000 Quadratmeter Wasserfläche, aufgeteilt auf vier Teiche.
Der Park bietet auf kompakter Fläche unterschiedliche Landschaftsbilder (Wald, Wiesen, Felder, Wasserflächen). Unter Klimaaspekten ist er heutzutage ein Glücksgriff jener Jahre: Seine unmittelbare Nähe zur Innenstadt ist ein Garant für Frischluftzufuhr in die City.