Gladbeck. Die talentierte Grafikerin Lara Wilkin hat ihre linke Hand nach einem Unfall verloren. Ihre Prothese ermöglicht den Start in ihr zweites Leben.

Wer sich mit der talentierten Grafikerin und Illustratorin Lara Wilkin beschäftigt, die jüngst wieder bei einem internationalen Wettbewerb die Jury überzeugte, könnte auf ihre anrührenden Worte stoßen, die sie zum Jahreswechsel auch über ihr Profil in einem sozialen Netzwerk veröffentlicht hat.

Die Gladbeckerin hat sie mit „Das erste Jahr meines zweiten Lebens“ überschrieben. Hintergrund ist der schwere Schicksalsschlag, der die junge Frau ereilte und ihr bisheriges Leben völlig verändert hat: Lara Wilkin hat ihre linke Hand verloren und lernt jetzt mit einer Prothese ihre private wie berufliche Zukunft zu meistern. Ihr besonderer wie positiv gestimmter Neujahrsgruß kann auch allen Mut machen, die eine schwere Lebenskrise bewältigen müssen.

Dankbar für alle Hürden, an denen sie wachsen konnte

Lara Wilkin (31) sieht ihr Leben auch nach der Amputation positiv und beweist damit Stärke.
Lara Wilkin (31) sieht ihr Leben auch nach der Amputation positiv und beweist damit Stärke. © Lara WilkinFür Bericht zum Thema frei gegeben | Lara Wilkin

„Das wahrhaft Bedeutendste, das mich am allermeisten berührte, war jedoch die selbstlose Unterstützung, die vielen herzlichen Begegnungen, die prägenden Momente und die Gewissheit, dass mich Menschen auf meinem Weg begleiten, die eine festen Platz in meinem Herzen eingenommen haben“, schreibt die heute 31-Jährige. „Ich bin dankbar für alle Herausforderungen und Hürden an denen ich wachsen konnte und die mich haben kreative Lösungen finden lassen, für alle Zweifler, denen ich das Gegenteil beweisen konnte und auch für alle Momente, die mich haben reflektieren lassen. Ich habe ein sehr schönes Leben!“, zieht sie Bilanz im Neujahrsgruß.

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Natürlich habe es für sie auch dunkle und traurige Momente gegeben, erzählt Lara Wilkin im Gespräch mit der WAZ. Eigentlich habe alles so trivial begonnen, mit dem Sturz im Sommer 2015, als sie auf nasser Fläche ausgerutscht und gefallen war. Auf ihren linken Arm, den sie als Linkshänderin auch am meisten nutzte. Ein dicker Bluterguss bildete sich als Folge, der nicht abschwoll, so dass sich ungeahnt schwerwiegende Komplikationen ergaben. „In Form des Kompartmentsyndroms, wonach die Muskulatur durch die anhaltende Schwellung schlecht durchblutet wird, so dass Muskeln und Nerven geschädigt werden, und letztlich sogar Gewebe abgestorben ist“. Die Therapien der Ärzte zeigten nicht die erhoffte Wirkung, „so dass ich 2018 zum ersten Mal darauf angesprochen wurde, dass ein Teil des Arms amputiert werden muss“.

Selbst nach Ärzten gesucht, die die Amputation durchführen

Renommierte Auszeichnungen gewonnen

Beruflich gelingt es Lara Wilkin weiterhin, die bereits mit dem Red Dot Design Award „Best of the Best“ ausgezeichnet wurde, die Fachwelt auf ihr Talent aufmerksam zu machen. Mit ihren detailverliebten Illustrationen konnte sie jüngst die Jury des NYX Marcom Award in New York überzeugen.

Lara Wilkin trat mit ihren Arbeiten gegen internationale Marketing-Profis großer Unternehmen wie Ferrari, Disney oder Microsoft an. Sie wurde in den Kategorien „Illustration & Infographics“ sowie „Banner & Sign“ mit der höchsten Auszeichnung (Grand Winner) gewürdigt.

Anders als beim Sofortverlust einer Extremität durch einen schweren Unfall habe sie zumindest die Möglichkeit gehabt, sich auf die Situation vorzubereiten, sagt Lara Wilkin. So habe sie selbst nach Ärzten gesucht, die sich auf Amputationen spezialisiert haben, Kontakt zu Orthopädietechnikern in Münster aufgenommen, dort schon mal ausprobiert, wie eine Handprothese funktioniert und mit anderen Betroffenen sprechen können. „Die Operation führte letztlich Professor Dr. Oskar Aßmann, Koryphäe an der Uniklinik in Wien, am 22. Oktober 2019 durch, der mein Ellenbogengelenk erhalten konnte“.

Danach habe sie ihr zweites Leben aufbauen können, „ohne die vorher starken Schmerzen in der gelähmten und so nicht mehr zur Verfügung stehenden linken Hand“, berichtet die mutige Gladbeckerin. Mit einer hochmodernen Prothese und engagiertem Coaching von Orthopädietechniker Andre Wohlatz. Zu sehen, dass es möglich ist, über Muskelimpulse wieder eine linke (Ersatz)Hand zu steuern und nutzen zu können, habe ihr Hoffnung, Stärke und Zuversicht gegeben. Anfang des Jahres 2020 konnte Lara Wilkin verschiedene Prothesenmodelle ausprobieren. Sie habe sich letztlich für eine Vincent 4 Evolution entschieden, „einer Art Porsche unter den Prothesen“, die ihren Bedürfnissen optimal entspreche.

In die Programmierung der Prothese selbst hineingefuchst

Um die Feinmotorik mit ihrer Prothese zu üben, hat Lara Wilkin Lego-Modelle zusammengebastelt.
Um die Feinmotorik mit ihrer Prothese zu üben, hat Lara Wilkin Lego-Modelle zusammengebastelt. © Lara WilkinFür Bericht zum Thema frei gegeben | Lara Wilkin

Da sie selber sehr technikinteressiert sei, habe sie sich selbst in die Programmierung der bluetoothfähigen Prothese hineingefuchst, um beispielsweise die Geschwindigkeit der Griffmodi anzupassen. Um die Feinmotorik zu üben, habe sie dann Legomodelle mit kleinen Teilen zusammengebastelt. Auch die Möglichkeit, ihre neue Hand optisch zu gestalten, nutzte die Grafikerin freilich. Die tiefschwarze Prothese ziert so ein selbstentworfenes florales Motiv. Und getauft hat sie die futuristisch wirkende, an einen Star Wars-Film erinnernde künstliche Hand auch, „denn sie ist ja jetzt ein Teil von mir“. Vienna heißt die schwarze Schönheit, zu Ehren der Stadt, in der Lara Wilkins neues Leben via erfolgreicher OP begann.

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Beruflich läuft es für die junge Frau auch prima, nach erfolgreichem Master-Studium leitet sie jetzt die grafische visuelle und konzeptionelle Außendarstellung im Fachbereich Informationstechnik an der FH Dortmund. Im Leben das Gute zu sehen und zu finden, dafür kann Lara Wilkin Vorbild sei. Sie selbst ist der Überzeugung „alles im Leben hat einen Sinn“. Denn durch die durchlebten Veränderungen sei sie letztlich in ihrer Persönlichkeit gestärkt worden, und sie habe eine neue Lebensqualität hinzugewinnen können. Die Gladbeckerin fasst das mit einem simplen Satz zusammen: „Man sollte immer auch mit dem zufrieden sein, was man hat und das Beste daraus machen.“