Gladbeck. Die AfD-Fraktion kam in voller Stärke zur Ratssitzung, obwohl man wegen Corona in kleiner Runde tagen wollte. Scharfe Kritik der Bürgermeisterin.
In der Sitzung des Rates der Stadt Gladbeck am Donnerstag ist es zu einem Eklat über das Verhalten der AfD-Fraktion im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gekommen. Entgegen einer vorab bei einem Treffen der Fraktionsvorsitzenden erzielten Verständigung, wonach man wegen des Infektionsgeschehens nur in halber Fraktionsstärke tagen wollte, kam die AfD-Fraktion in kompletter Stärke – mit fünf Ratsherren. Das Auftreten erregte den Unmut der Bürgermeisterin und den Protest aller übrigen Fraktionen. Die AfD widersprach in einer Stellungnahme.
Bürgermeisterin Bettina Weist bedauerte in einem Statement zu Beginn der Ratssitzung das Erscheinen der kompletten AfD-Fraktion als „unverantwortlich und ignorant“. Angesichts der hohen Infektions- und Todeszahlen trügen alle Ratsmitglieder Verantwortung, „wir als gewählte Vertreter haben eine Vorbildfunktion“. In diesem Fall habe man sich im Vorfeld der Ratssitzung darauf verständigt, die Teilnehmerzahl auf die Hälfte zu reduzieren, um die Zahl der Kontakte und Infektionsmöglichkeiten gering zu halten. Weist kritisierte, die AfD habe ein „unsolidarisches Verhalten“ an den Tag gelegt.
Alle Fraktionen äußern sich gemeinsam kritisch über das AfD-Verhalten
In einer gemeinsamen Erklärung kritisieren alle anderen sechs Ratsfraktionen den Auftritt der AfD als „ersten Tiefpunkt der demokratischen Kultur in der neuen Wahlperiode des Rates“. Die Vereinbarung, wegen der Pandemie freiwillig auf die komplette Stärke der Fraktionen zu verzichten, habe die AfD kurzfristig aufgekündigt. Darüber hinaus habe sie mit allen fünf Stimmen abgestimmt, so dass es zu einer Verzerrung der eigentlichen Mehrheitsverhältnisse gekommen sei.
Auch interessant
Dieses Verhalten zeuge, so die Fraktionen, von „absoluter und vorsätzlicher Rücksichtslosigkeit sowie Ignoranz“ gegenüber den Gesundheitsinteressen der gesamten Bürgerschaft aber auch der politischen Umgangsformen in Gladbeck. Insbesondere vor dem Hintergrund des jüngsten dramatischen Appells aus dem St.-Barbara-Hospital, soziale Kontakte zu minimieren, sei das Verhalten der AfD in keiner Weise entschuldbar. „Wir verurteilen das aufs Schärfste“, heißt es.
AfD-Fraktionschef Gräber: Corona ist kein Grund, den Rat zu verkleinern
Auch interessant
AfD-Fraktionsvorsitzender Marco Gräber rechtfertigte es in einer Stellungnahme mit dem Demokratieverständnis seiner Partei, gewählte Ratsmitglieder nicht „in ihrem Stimmrecht zu beschneiden und/oder von Sitzungen auszuschließen“. Auch die Corona-Pandemie sei hierfür kein Grund, betonte Gräber. Seiner Meinung nach sei die Stadthalle groß genug, um „auch unter Einhaltung bestehender Hygiene-Auflagen in voller Stärke tagen zu können“. Präferiert hätte die AfD aber, so Gräber, gar nicht zu tagen, um zu zeigen, „dass wir uns durchaus kritisch mit dem Virus auseinandersetzen, uns solidarisch mit den Bürgern zeigen und ebenfalls Einschnitte hinnehmen.“ Die Entscheidungen des Rates hätten auch Anfang nächsten Jahres getroffen werden können, „wenn die Infektionszahlen eventuell gesunken sind.“
Auch interessant
Im übrigen weist er darauf hin, dass seine Partei vor dem Treffen der Fraktionschefs nicht, wie alle anderen, telefonisch über das Vorhaben unterrichtet worden sei. So habe er keine Möglichkeit gehabt, Rücksprache mit der Fraktion nehmen zu können und sei zu einer Aussage gedrängt worden. Dem widersprach Bürgermeisterin Weist gegenüber der WAZ: Auch die AfD-Fraktion sei vom Büro der Bürgermeisterin vorab kontaktiert worden. Und aus Teilnehmerkreisen erfuhr die WAZ, Gräber sei beim Treffen der Fraktionschefs nicht zu einer Aussage gedrängt worden, sondern habe nichts gesagt.
+++ Nichts verpassen, was in Gladbeck passiert: Hier für den täglichen Gladbeck-Newsletter anmelden. +++
Vorschlag der AfD scheiterte
Im vergangenen Monat erst gewählt - jetzt legte AfD-Ratsherr Marcus Schützek bereits sein Mandat als stellvertretendes Mitglied des Verwaltungsrates der Sparkasse wieder nieder. Den Vorschlag der AfD, als Nachfolger Schützeks AfD-Ratsherr Michael Lange zu wählen, schlug um Rat am Donnerstag fehl. Die Mehrheit des Rates lehnte den Vorschlag ab. Nun kann die AfD-Fraktion einen neuen Kandidaten vorschlagen.
Letztinstanzlich als gültig erklärte – auf Vorschlag des Wahlprüfungsausschussvorsitzenden Marcus Schützek (AfD) – der Rat die Ergebnisse der Kommunalwahl am 13. September sowie der Bürgermeister-Stichwahl vom 27. September.