Gladbeck. Amtsärztin Dr. Wiebke Selle macht sich für den Grippeschutz stark, besonders für Risikogruppen. Warum Gladbecker sich impfen lassen sollten.

Zur äußerst angespannten Corona-Situation auch noch eine hohe Grippewelle? Das könnte das Gesundheitssystem überfordern, warnten Wissenschaftler, Mediziner und nicht zuletzt Politiker wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bereits vor einigen Wochen. Während gegen Covid-19 derzeit hierzulande noch kein Schutz verfügbar ist, gibt es gegen die Grippe eine Vorsorge-Chance: die Impfung. Und Dr. Wiebke Selle, Amtsärztin in der Kreisverwaltung Recklinghausen, hat den Eindruck: „Die Menschen verlangen tatsächlich mehr nach diesem Impfstoff.“ Warum sich auch die Bevölkerung in Gladbeck impfen lassen sollten.

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1032 Grippefälle weist die Statistik für das Kreisgebiet im Jahre 2020 aus. Zum Vergleich die Vorjahreszahlen: 849 waren es 2019, 994 im Jahr davor. Wie sich die Lage in der anstehenden Grippe-Saison darstellt, bleibt abzuwarten.

Gladbeck: Expertin hält den Grippeschutz für die Präventivmaßnahme schlechthin

Die Nachfrage nach dem Impfstoff sei jedenfalls groß, beurteilt Selle die Lage. Allerdings bestehe „im Moment ein Engpass“. Und es sei nicht absehbar, wann der Impfstoff wieder lieferbar ist. Selle, Leiterin des Kinder-, Jugend- und zahnärztlichen Dienstes in Recklinghausen, berichtet: „Wir impfen gar nicht, weil wir nicht im Behandlungssektor tätig sind.“ Aber die Medizinerin berät. „Privatpersonen rufen hier an und fragen beispielsweise, ob es Sinn macht, sich gegen Grippe impfen zu lassen“, sagt Selle. Sie, die sich selbst eine große Befürworterin dieses Schutzes nennt, bejaht vehement, denn: „Impfen ist die Präventionsmaßnahme schlechthin.“ Schon vor der Ausbreitung des Coronavirus’ habe sie das propagiert.

Dr. Wiebke Selle vom Kinder- und Gesundheitsdienst beim Kreis Recklinghausen macht sich für die Grippeschutzimpfung stark.
Dr. Wiebke Selle vom Kinder- und Gesundheitsdienst beim Kreis Recklinghausen macht sich für die Grippeschutzimpfung stark. © Recklinghausen | Kreisverwaltung

Menschen über 60 und Risikopatienten sollten sich unbedingt impfen lassen. Vorausgesetzt, es sprechen keine gravierenden Gründe dagegen – schon allein, um sich selbst vor einer schweren Erkrankung zu schützen. Die Expertin führt mit Blick auf die grassierende Pandemie einen weiteren Aspekt an: „Husten, Schnupfen, Gliederschmerzen, das sind grippeähnliche Symptome, die auch bei einer Corona-Infektion auftreten. Ist jemand gegen Grippe geimpft, kann man nach anderen Auslösern gucken.“ Einmal ganz abgesehen von den Auswirkungen auf das medizinische Personal: Weniger Grippe-Patienten in den Krankenhäusern verschaffen Ärzten & Co. mehr Kapazitäten für Corona-Fälle.

Die Immunität sinkt im Laufe des Lebens

Warum stellen gerade ältere Menschen eine Risikogruppe dar? Selle antwortet: „Die Immunität sinkt im Laufe des Lebens.“ Auf der Hand liegt, dass Berufsgruppen wie Lehrkräfte, Erzieherinnen, Verkaufspersonal und Busfahrer besonders gefährdet sind, weil sie viele Kontakte haben. Für sie sei eine Grippeimpfung ebenso angezeigt wie für chronisch Kranke, zum Beispiel Lungen- und Krebspatienten sowie Diabetiker.

Ansteckung mit Masern

In diesem laufenden Jahr 2020 hat das Kreisgesundheitsamt bislang keine Masernfälle registriert, für das Jahr zuvor wurden vier Erkrankungen gemeldet. 2018: ein Fall.

Medizinerin Dr. Wiebke Selle: „Die Masern-Impfpflicht besteht seit dem 1. März 2020.“ Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine solche Impfung für alle Kinder, „aber nicht erst im dritten, vierten oder fünften Lebensjahr“. Säuglinge und Kleinkinder sollten den Schutz in den ersten beiden Lebensjahren erhalten. Selle erklärt: „Es sind zwei Impfdosen notwendig. Die zweite sollte vier Wochen nach der ersten Impfung erfolgen.“

Bei den Schuleingangsuntersuchungen werden die Einträge in die Impfpässe kontrolliert. „Für das Schuljahr 2018/2019 hatten wir bei den knapp Sechsjährigen kreisweit eine Quote von 94,6 Prozent. Da sind wir ganz gut dabei“, stellt die Ärztin fest. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spreche bei einer 95-Prozent-Quote von einer „guten Immunität“.

Wiebke Selle: „Ich verstehe den Unmut der Leute, die sich impfen lassen möchten, zum Hausarzt gehen und dort in der Warteschlange stehen.“ Oder womöglich in Praxen und Apotheken zu hören bekommen: „Wir haben aktuell keinen Impfstoff!“ Doch noch sei Zeit, durch einen Pieks vorzusorgen, sagen Mediziner.

Ob es zu Wechselwirkungen von Grippe- und Corona-Impfung kommen könne, ist unklar. Selle: „Das ist noch nicht absehbar!“

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Der Kinder-, Jugend- und zahnärztliche Dienst im Kreisgesundheitsamt Recklinghausen ist erreichbar unter 02361/53 41 22.