Gladbeck. Steag stoppte wegen möglicherweise krebserregendem Inhaltsstoff das Prestigeprojekt. Photoment-Pflastersteine haben ihren Ursprung in Gladbeck.

Das aufgrund potenziell krebserregender Inhaltsstoffe in die Kritik geratene Prestigeprojekt der Steag AG – ‘abgasfressende’ Hightech-Pflastersteine – hat seinen Ausgangspunkt offensichtlich in Gladbeck. Im Labor der Steag-Tochter Power Minerals an der Stollenstraße ist der Betonzusatzstoff Photoment erfunden worden, mit dem Bestandteil Titandioxid, den die EU-Kommission als potenziell krebserregend eingestuft hat.


In seinen Firmennews machte der Konzern nach WAZ-Recherche im März 2018 mit der Innovationskraft der Steag Power Minerals (SPM) am Sitz der Tochter Mineralplus in Gladbeck kräftig Werbung: In den SPM-Laboren tüftelten die Mitarbeiter neben der Abfall- und Baustoffanalytik parallel auch an neuen Produkten. „Zum Beispiel wurde in Gladbeck die Idee zum inzwischen weltweit erfolgreich vermarkteten Betonzusatzstoff Photoment entwickelt. Dieser Betonzusatzstoff besteht aus Flugasche sowie Titandioxid und wird Baumaterialien zugesetzt“, so der Bericht mit der Überschrift „Steag Power Minerals entwickelt aus Reststoffen hochwertige Spezialprodukte“.

Ein zunächst als Zukunftsinnovation gefeiertes und prämiertes Produkt


Das bestätigt Daniel Mühlenfeld von der Steag auf Anfrage der WAZ, „letztlich hergestellt wurde Photoment aber nicht in der Gladbecker Mischanlage, sondern bei der EuroQuarz GmbH in Dorsten“, so der Konzern Pressesprecher. Der Clou von Photoment: Unter Lichteinwirkung wird auf einer so ausgestatteten Titandioxid-Beton-Oberfläche eine sogenannte photokatalytische Reaktion ausgelöst, durch die giftige Stickoxide (NOx) aus der Luft in ungiftiges Nitrat umgewandelt werden. Ein angesichts vieler durch Fahrzeugverkehr schadstoffbelasteten Innenstädte und drohender Fahrverbote als Zukunftsinnovation gefeiertes und beworbenes Produkt. Photoment wurde 2016 mit dem GreenTec-Award, Europas größtem Umwelt- und Wirtschaftspreis, ausgezeichnet.


Etliche Städte verlegten daraufhin das zum Bespiel auch während einer InnovationCity-Klimaschutzveranstaltung in Bottrop beworbene Pflaster. Photoment-Steine liegen auch in Essen, Herne und Dortmund. Die EU-Kommission stufte nach Hinweisen der europäischen Chemikalienagentur (ECHA) Titandioxid-Pulver jedoch bereits Ende 2019 als potenziell krebserregend ein, wenn es eingeatmet wird. „Eine Möglichkeit, die nicht abschließend bewiesen oder widerlegt ist“, sagt Mühlenfeld. Die Steag sehe kein Gesundheitsrisiko im verlegten Pflaster, das Thema sei jetzt im Wahlkampf hochgekocht worden. In Gladbeck, etwa bei der Neugestaltung der Fußgängerzone, wurden laut Stadtverwaltung „nur herkömmliche Pflastersteine verwendet“.

Das unter Krebsverdacht stehende Pulver ist auch in Zahnpasta und Sonnencremes


Grundsätzlich verbieten will die EU-Kommission den Zusatzstoff wohl nicht, der als Weißmacher auch in Wandfarbe, Putz, Zahnpasta oder Sonnencreme verwendet wird. Jedoch ist geplant, dass ein Warnhinweis für Produkte vorgeschrieben wird, die Titandioxid beinhalten. Grund für die Steag, Photoment vom Markt zu nehmen, da das als umweltfreundlich mit Reduktion von Schadstoffen beworbene Produkt damit konterkariert würde, so Steag-Pressesprecher Daniel Mühlenfeld.