Gladbeck. Hunderte Polizisten werden in Gladbeck und anderen Städten im Bereich des Präsidiums Recklinghausen beleidigt und verletzt. Tendenz: steigend.
Sie machen deutschlandweit Schlagzeilen und lösen heftige Diskussionen aus: Aggressionen – seien sie nun handgreiflich oder verbal – gegen Polizeibeamte: Insider beobachten, dass die Zahl der Angriffe stetig steigt. Das gilt auch für das Polizeipräsidium Recklinghausen, zu dessen Einzugsgebiet Gladbeck gehört. Mehr als 500 Delikte gegen Beamten wurden im Jahr 2019 registriert.
Die steigende Tendenz springt einem förmlich ins Auge, betrachtet man die Vergleichszahlen der Vorjahre. So weist die Statistik 2018 rund 400 Fälle aktiven Widerstands, tätlichen Angriffs und von Beleidigungen auf. Im Jahr davor waren es noch etwa 300 Delikte. Es werden immer mehr, stellt Andreas Wilming-Weber, Leiter der Pressestelle in der Polizeibehörde Recklinghausen, fest. Seine Kollegen seien vielen Beleidigungen ausgesetzt, würden angespuckt, es komme zu Körperverletzungen.
Gladbeck: Die Dimensionen der Aggressivität sind für die Polizeibeamten „sehr belastend“
Zu letzterem liegen Fakten vor. Die Zahl der Beamten, die im Dienst Verletzungen davontragen, klettert seit geraumer Zeit kontinuierlich. Waren es mehr als 100 im Jahre 2017, sind 2018 schon 130 plus aufgelistet. Anno 2019 kamen noch einmal mehr als 30 dazu. Wilming-Weber: „Jedes Jahr mehr verletzte Polizeibeamte – diese Entwicklung spricht für sich. Die Dimensionen haben zugenommen.“ Das sei für „die Kollegen sehr belastend“.
Auch interessant
Immer häufiger, so der Polizei-Sprecher, erstatten die Betroffenen Anzeige. Und sie bekommen Rückendeckung von oben. „Unsere Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen schließt sich den Strafanzeigen an“, berichtet Andreas Wilming-Weber. Die Dienstherrin betont: „Auf der einen Seite erwarten die Menschen von Polizisten zu Recht, dass sie sich höflich und korrekt verhalten. Auf der anderen Seite dürfen auch Polizeibeamte erwarten, dass ihnen Respekt entgegengebracht wird.“ Wilming-Weber bemerkt: „Es hat sich etwas gewandelt in der Gesellschaft. Deswegen müssen wir handeln.“
Auch interessant
Der Deutsche Bundestag hat mittlerweile beschlossen, Polizeibeamte und andere so genannte Vollstreckungsbeamte sowie Rettungskräfte durch neue Straftatbestände zu schützen. Ein entsprechendes Gesetz droht bei tätlichen Angriffen auf Polizisten, ermittelnde Staatsanwälte, Feldjäger und Sicherheitspersonal mit bis zu fünf Jahren Haft.
Auch interessant
Hieß es früher „Die Polizei, dein Freund und Helfer“, lässt sich heutzutage bisweilen eher ein „Feindbild Polizei“ erkennen. Und dagegen müssen sich die Beamten wappnen. Sie werden nicht nur speziell ausgebildet, Stichwort: „Deeskalationstraining“. Wilming-Weber führt außerdem an: „Die Ausrüstung wird verbessert.“
Auch interessant
Konfliktpotenzial
Die Krawallnächte in Stuttgart und Frankfurt sind in der Dimension negativ herausragend, Konfliktpotenzial kann in vielerlei Situationen stecken. Selbst eine Verkehrskontrolle kann für Polizisten Gefahren bergen, ebenso beispielsweise Feiern, die aus dem Ruder laufen, aggressive Alkohol- und Drogenkonsumenten. Rettungskräfte müssen sich bei Einsätzen ebenfalls gegen Angriffe wehren.
Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen: „Einsatzkräfte erleben respektloses Verhalten, Beleidigungen, Bedrohungen bis hin zu tätlichen Angriffen. Diese erschreckende Entwicklung zu stoppen, erfordert einen gesellschaftlichen Schulterschluss.“
Dazu zählen auch Bodycams, kleine, aber sichtbare Videokameras. „Wir setzen sie seit Ende 2019 ein“, berichtet Andreas Wilming-Weber, „und zwar in allen Städten unserer Behörde.“ Auf jeder Wache seien ausreichend Exemplare vorhanden. Der Polizeisprecher: „Alle Kollegen, die auf den Straßen unterwegs sind, können eine Bodycam einsetzen, beispielsweise Kollegen im Wach- und Wechseldienst, aber auch Hundeführer.“ Voraussetzung sei allerdings, dass die Beamten in Recht und Handhabung geschult seien.
Auch interessant
Nicht nur die Polizei schaltet die kleinen Körperkameras ein, unter anderem stehen sie auch Mitarbeitern der Deutschen Bahn zur Verfügung. Bodycams zeichnen ein Geschehen auf, können damit – nach Ansicht von Befürwortern – auch zur Beruhigung einer kritischen Situation beitragen. „Mit der flächendeckenden Einführung von Body-Cams muss jeder Störer damit rechnen, dass sein gewalttätiges Verhalten in Bild und Ton dokumentiert wird“, so Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen.
Ob eine Elektroschockpistole, auch bekannt als Taser, die polizeiliche Ausrüstung ergänzen soll, ist umstritten. Wilming-Weber sagt: „Darüber gibt es eine politische Diskussion. Zu Tasern will ich keine Bewertung abgeben.“