Gladbeck. Seit 1996 kümmert sich „Herz und Hände für Tschernobyl“ um die Armen in Weißrussland. Jetzt bringen die Gladbecker wieder Spenden in die Region.
Die Durststrecke war lang, aber jetzt soll er wieder in die weißrussische Grenzregion zum ukrainischen Katastrophengebiet rund um den 1986 havarierten Reaktor von Tschernobyl rollen: Der 40 Tonner, beladen mit mehr als 1500 Kartons für die dort lebende und immer noch Not leidende Bevölkerung. „Man kann sich keine Vorstellung von der Armut machen, die in diesen Dörfern herrscht“ sagt Peter Kock, Schriftführer des Vereins „Herz und Hände für Tschernobyl“.
Seit 1996 sammeln die Mitglieder von „Herz und Hände“ Spenden für die Armen in der Tschernobyl-Region
Seit der Vereinsgründung 1996, sammeln die Mitglieder Spenden für Hilfstransporte, die zwei Mal im Jahr auf den Weg in die weißrussische Grenzregion rund um Mosyr geschickt werden.
Wegen der Corona-Krise hatte auch der Verein seine Spendensammlungen eingestellt, an Fahrten war erst einmal gar nicht zu denken, doch Anfang nächster Woche soll es wieder losgehen. „Hauptsächlich haben wir Kleiderspenden im Gepäck“, berichtet Kock, „aber auch Rollstühle und Rollatoren“. Früher wurden auch Medizinpräparate und -geräte transportiert. Dies sei ihnen von der Regierung Lukaschenko untersagt worden. „Es gibt aber immer noch bei Kindern, die dort zur Welt kommen, viele Missbildungen“, so Peter Kock.
Die Vorbereitungen für die erste Fahrt in Corona-Zeiten laufen in dieser Woche in Gladbeck auf Hochtouren. „Wir sind als Verein ziemlich überaltert, meine Frau und ich zählen mit 66 und 68 Jahren noch zu den Jüngeren“, sagt er. Deshalb habe man Spieler vom BV Rentfort und ihre Eltern um Hilfe gebeten, und sie wollen gerne mit anpacken. „Der Papierkram ist gigantisch. Jeder einzelne Karton wird gewogen und der Inhalt auf Russisch gut sichtbar angegeben.“ Pro Kilogramm müssen zehn Cent gezahlt werden. Vor Jahren haben sich noch zahlreiche Vereinsmitglieder mit auf die beschwerliche Reise begeben, inzwischen fliegen sie hinterher. „Wir haben einen weißrussischen Fahrer, der sich auskennt. Er wird die Ladung nach Ankunft an einem sicheren Ort lagern.“
Im April fliegen einige Vereinsmitglieder nach Minsk
Im April kommenden Jahres steigen dann Kock und fünf weitere Mitstreiter ins Flugzeug nach Minsk, um - nach einer rund sechsstündigen Busfahrt - in der Grenzregion ihre Pakete zu verteilen.
Bis zur weißrussischen Grenze sind es für den Lkw etwa 1200 Kilometer, eine Fahrtzeit von zwei Tagen wird hierfür einkalkuliert. „Dort muss die Zollkontrolle abgewartet werden. Es kann bis zu zwei Monate dauern, bis das erledigt ist.“ Bis zum Ziel ist es noch einmal eine Tagesfahrt. „Aber die Anstrengung lohnt sich“, ist Peter Kock überzeugt. „Wenn man in die Gesichter der Menschen schaut, weiß man, wie dankbar sie sind, besonders vor dem Hintergrund unserer Geschichte.“
Kock weiß auch um die Verantwortung als deutscher Staatsbürger, der in dieses Gebiet kommt, haben doch hier im 2. Weltkrieg Wehrmacht und SS extrem gewütet. Umso mehr beeindruckt den ehemaligen Feuerwehrmann die Gastfreundschaft der Menschen dort. „Wir fahren in Orte, die noch niemals Hilfe gesehen haben, aber immer werden wir eingeladen.“
Sammelstelle an der Maschinenhalle Zweckel
Der Verein „Herz und Hände für Tschernobyl“ wird nach wie vor von Pfarrer Rolf Ehring geführt.
Hilfe ist auch 34 Jahre nach der Tschernobyl-Katastrophe weiterhin nötig. Ab dem 16. Juli werden wieder gerne, jeden Donnerstag von 11 bis 16 Uhr, unter Wahrung der Abstands- und Hygieneregeln, Spenden an der Maschinenhalle Zweckel, Frentroper Straße 1, angenommen.
Die Organisatoren bitten darum, nur saubere und intakte Kleidung abzugeben.
Kock erzählt von einem Dorf, 18 Kilometer vom Reaktor entfernt, das aufgrund der Strahlenbelastung evakuiert werden musste. Knapp 80 ehemalige Bewohner sind dann zurückgekehrt und lebten dort illegal, bezogen deshalb auch keine Rente. „Hier ist bei den noch Verbliebenen die Freude riesig, wenn wir kommen. Aber wir bleiben maximal zwei Stunden dort, da der Ort zum militärischen Sperrgebiet gehört.“
Angst ist ein schlechter Ratgeber
Die Reisegruppe um Peter Kock hofft natürlich, dass im nächsten Jahr das Corona-Virus keine so große Gefahr mehr darstellen wird und seinem Motto „Angst ist ein schlechter Ratgeber“ folgend, baut er auf seine Berufserfahrung als Feuerwehrmann, „denn dort haben meine Kollegen und ich auch Infektionsfahrten durchgeführt und gelernt, wie man sich vor Ansteckung schützen kann.“