Gladbeck /Essen. Jugendlicher soll von einer Hochhausruine einen Stein geworfen haben – der traf fast eine Frau und ihren Sohn. Vorwurf des versuchten Mordes.
Er ist jung, erst 15 Jahre. Aber das schützt den Gladbecker nicht vor einer Anklage wegen versuchten Mordes. Seit Mittwoch muss er sich vor der Jugendstrafkammer am Landgericht Essen verantworten, weil er am Abend des 8. Januar von der Hochhausruine an der Schwechater Straße im Stadtteil Rentfort-Nord laut Anklage einen Betonstein auf den Gehweg warf. Nur knapp verfehlte das ein Kilogramm schwere Geschoss eine 45 Jahre alte Mutter und ihren neunjährigen Sohn.
Heimtücke wirft Staatsanwältin Julia Schweers-Nassif dem Jugendlichen vor. Denn die Frau und ihr Sohn hatten eigentlich keine Chance, als an dem Abend im Januar der Betonstein in absoluter Dunkelheit auf sie hinabstürzte. Sie hörte wohl ein Zischen in der Luft, riss ihren Jungen instinktiv zur Seite. Aber es war reiner Zufall und ein riesiges Glück, dass sie ihn und sich selbst aus der Gefahrenzone rettete. Die Frau alarmierte kurz darauf per Handy die Polizei, beobachtete mehrere Jugendliche, die das Gebäude verließen. Einer davon blieb, stellte sich Fragen der Polizei. Die Ermittlungen in der Jugendszene führten schließlich zu Hinweisen auf den 15-Jährigen, der am 15. Januar, sieben Tage nach der Tat, festgenommen wurde.
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An der Hochhausruine begann das Gladbecker Geiseldrama
Vor fünf Jahren kam er aus Syrien nach Deutschland, ist mit kleineren Delikten schon zwei, drei Mal mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Ob er wohl wusste, welch traurige Rolle die Hochhausruine in der Schwechater Straße 38 in der deutschen Kriminalgeschichte gespielt hat? Sie war der Beginn des Gladbecker Geiseldramas im Jahre 1988. Hans-Jürgen Rösner und sein Komplize Dieter Degowski hatten dort im Erdgeschoss des Hochhauses die Filiale der Deutschen Bank überfallen. Die Tat gipfelte in eine Geiselnahme bislang nicht erlebter Dimension mit drei Toten. 54 Stunden lang hielt das Drama die Nation in Atem. Die Deutsche Bank schloss ihre Filiale nach der Geiselnahme.
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Seit 2005 steht der angeschlossene Wohnturm mit 14 Geschossen leer, von dessen Dach der Stein geworfen wurde. 2013 endete im Erdgeschoss auch die Zeit des Supermarktes. Seitdem steht der Komplex völlig leer. Mittlerweile hat die Schrottimmobilie zwar einen neuen Investor gefunden, ein Abriss und der geplante Neubau eines Wohn- und Geschäftszentrums verzögern sich aber immer wieder. Seit Jahren nutzen Jugendliche das Gebäude nicht ganz legal als Treffpunkt. Auch der 15-Jährige saß am 8. Januar mit zwei Freunden auf dem Dach. Sie hörten Musik, unterhielten sich. Unvermittelt soll der Angeklagte dann vom Boden des Daches den Stein aufgenommen und nach unten geworfen haben.
Fünf Verhandlungstage sind für den Fall angesetzt
Er selbst hatte einmal bei der Polizei gesagt, der Stein sei ihm aus der Hand geglitten. Die Anklage unterstellt ihm zwar keine direkte Tötungsabsicht. Er habe den Stein aber bewusst geworfen, ohne sehen zu können, ob sich auf dem Gehweg Menschen aufhielten. Deren Tötung habe er billigend in Kauf genommen.
Fünf Verhandlungstage hat die XXIV. Jugendstrafkammer für den Fall angesetzt. Weil der Angeklagte erst 15 Jahre alt ist, findet die Verhandlung komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.