Gladbeck. 3,6 Millionen Euro Verlust hat die Vestische bisher in der Corona-Pandemie gemacht. Dennoch setzt das Unternehmen auf die Verkehrswende.
Während der Corona-Pandemie fahren deutlich weniger Menschen Bus und Bahn. Die Vestische, deren Busse durch Gladbeck fahren, hat allein zwischen März und Mai 3,6 Millionen Euro Verluste gemacht. Um die Verluste aufgrund sinkenden Ticket-Verkaufs auszugleichen, hat der Bund nun ein Förderprogramm für den öffentlichen Nahverkehr auf den Weg gebracht. Mit einem Rettungsschirm wollen Bund und Land die Verluste aus dem Ticket-Verkauf während der Krise auffangen. Zudem hat die Vestische nun grünes Licht für die Verkehrswende bekommen.
Seit Mitte März hat die Vestische pro Monat durchschnittlich 450 bis 550 Abo-Pausierer und 650 bis 700 Kündigungen hinnehmen müssen. Inzwischen – so Sprecher Christoph van Bürk – liegen die Fahrgastzahlen wieder bei rund 40 Prozent des regulären Aufkommens. Und: „Die Tendenz ist leicht steigend.“
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Der Aufsichtsrat hat der Vestischen nun den Auftrag gegeben, mit saubereren Fahrzeugen und dichteren Takten die Verkehrswende einzuleiten
Trotz der Einnahmenverluste stünden Linienkürzungen aber nicht an. Im Gegenteil: „Alle Zeichen stehen auf Verkehrswende. Wir brauchen eine Takterhöhung und bessere Anbindungen. Nur weil Corona gekommen ist, wird die Verkehrswende nicht unwichtig“, sagt van Bürk. Und so geben mitten in der Corona-Pandemie die Auftraggeber des Busbetreibers eine zweistellige Millionensumme für saubere Technik frei und nehmen noch mehr Geld in die Hand, damit das Unternehmen sein Angebot deutlich ausweiten kann. Der Aufsichtsrat hat der Vestischen nun den Auftrag gegeben, mit saubereren Fahrzeugen und dichteren Takten die Verkehrswende einzuleiten. „Unsere Region braucht eine Angebotswende, damit der Bus attraktiver als das Auto wird“, so Vestische-Geschäftsführer Martin Schmidt. Linien in Gladbeck sind zunächst allerdings nicht betroffen.
Das Paket umfasst vier Teile. Erstens beschafft des Unternehmen bis 2025 rund 120 neue Busse und stellt so sicher, dass die gesamte Flotte die Euro-IV-Norm erreicht. Der Spritverbrauch sinkt um zehn Prozent, der Stickoxidausstoß um das 10- bis 15fache. Alle neu beschafften Busse sollen ab 2022 ausschließlich mit synthetischem Kraftstoff betankt werden. Das bringt eine weitere Stickoxid-Einsparung von bis zu 20 Prozent, kostet aber auch sechs Cent mehr pro Liter. Zweitens: Das Unternehmen verdichtet die Takte auf wichtigen Schnellbuslinien und beteiligt sich am neuen regionalen Schnellbusnetz des Verkehrsverbundes. Damit sollen die Nord-Süd-Verbindungen im Ruhrgebiet besser bedient werden. Für die Erhöhung des Angebotes von bisher 19,6 um 2,6 Millionen Kilometer pro Jahr braucht das Unternehmen mehr als 100 neue Buslenker.
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Die Ausweitung des Fahrplans wird alleine jährlich 7,2 Millionen Euro kosten
Drittens: Machbarkeitsstudien sollen zeigen, wie der Busverkehr mit Busspuren und weiteren Vorrangschaltungen noch schneller werden kann. Viertens: Die Vestische testet fünf Busse mit neuester Wasserstofftechnik. Was kostet das Paket? 10,5 Millionen die Investition in Wasserstofftechnik, bei der die Vestische auf Fördermittel setzt. Die Ausweitung des Fahrplans wird ab 2023 jährlich 7,2 Millionen Euro kosten.
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Das Defizit (2019: 28,6 Mio. Euro), das von den kommunalen Gesellschaftern (Kreis Recklinghausen, Bottrop, Gelsenkirchen) gedeckt werden muss, wird sich entsprechend erhöhen. Die Stadt Gladbeck zahlt derzeit eine jährliche ÖPNV-Umlage an den Kreis. „Im Haushalt 2020 sind zwei Millionen Euro vorgesehen“, so Stadtkämmerer Thorsten Bunte.
>>> Vordereinstieg soll wieder geöffnet werden
Der Vordereinstieg im Bus ist zum Schutz des Personals zu Beginn der Pandemie gesperrt worden. Derzeit arbeitet die Vestische daran, ihn wieder zu öffnen. „Der Kontakt zu den Fahrern ist für unsere Kunden wichtig. Sie haben etwa Fragen zu Verbindungen oder Fahrkarten“, so Sprecher Christoph van Bürk. Nun sollen Schutzscheiben für die Fahrer installiert werden.
Das Problem: Der Markt für Glas sei derzeit leergefegt und es gibt fünf verschiedene Bustypen. Für alle Modelle muss eine Musterlösung her. 233 Busse der Vestischen müssen umgerüstet werden, hinzu kommen Fahrzeuge von Fremdunternehmen, die für die Vestische im Einsatz sind.
Künftig weniger Berufspendler aber mehr Rentner als Fahrgäste vorstellbar
Einige Zeit war das Angebot auf den Samstagsfahrplan reduziert. Seit Ende Mai sind die Linien wieder im Regelbetrieb unterwegs. Die Ausweitung wurde auch deshalb vorgenommen, damit sich die Kunden in den Fahrzeugen mehr verteilen können. Ausnahme: Die Nachtexpresse. „Die sind an Kneipen- und Discobesuche gekoppelt.“ Zunehmendes Arbeiten im Homeoffice könnte dafür sorgen, dass auch künftig weniger Pendler Bus und Bahn nutzen. Van Bürk rechnet jedoch damit, dass, selbst wenn Pendler wegbrechen würden, aufgrund des demografischen Wandels verstärkt Rentner das Angebot nutzen würden.
Auch Bahnbetreiber Abellio hat im Zuge der Pandemie einen Fahrgast-Rückgang von rund 50 Prozent ausgemacht. „Viele arbeiten im Homeoffice und die Notwendigkeit einer Fahrt wird verstärkt hinterfragt“, so eine Sprecherin des Unternehmens auf Anfrage zur WAZ. Folgen seien noch nicht absehbar. Der reduzierte Sonderfahrplan sei indes seit Wochen wieder aufgehoben. (tab)