Gladbeck. Gesundheitsamt meldet für die Stadt kreisweit die höchsten Zahlen. Der Bürgermeister bleibt besorgt. Cura-Seniorenzentrum widerspricht dem Kreis.

Die Corona-Lage in Gladbeck bleibt außergewöhnlich. 20 Todesfälle gibt es inzwischen im Zusammenhang mit der Pandemie zu beklagen, erst am Wochenende starb laut Kreisgesundheitsamt ein weiterer Senior im Cura-Seniorenzentrum im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Die Erklärungsversuche der Kreisverwaltung, wonach es in Gladbeck nicht den einen Grund, sondern eine „Verkettung unglücklicher Umstände“ gebe, stellt die Stadtspitze nicht wirklich zufrieden. Bürgermeister Ulrich Roland im WAZ-Gespräch: „Wir sind die Sorgen nicht los, die Zahlen beunruhigen die Menschen weiter.“

Unterdessen widerspricht das Cura-Seniorenzentrum der amtlichen Darstellung: Im Seniorenwohnheim an der Kolpingstraße habe es „weder einen siebten, noch einen achten Corona-Sterbefall gegeben“, so Cura-Sprecherin Melanie Hoffmeister auf WAZ-Anfrage, die Senioren seien aus anderen Gründen gestorben. „Aktuell haben wir Stand Montag sechs Todesopfer zu beklagen, die an oder mit dem Virus starben.“ 17 Heimbewohner seien derzeit infiziert, fünf von ihnen würden im Krankenhaus behandelt, zwölf seien in einem Isolationsbereich untergebracht.

Kreisgesundheitsamt bleibt bei acht Corona-Todesfällen im Cura-Seniorenzentrum

Der Kreis Recklinghausen sieht eine „Verkettung unglücklicher Umstände“ für die hohe Infektionszahl in Gladbeck und bleibt bei 20 Todesfällen im Zusammenhang mit dem Coronavirus, darunter acht im Cura-Seniorenzentrum.
Der Kreis Recklinghausen sieht eine „Verkettung unglücklicher Umstände“ für die hohe Infektionszahl in Gladbeck und bleibt bei 20 Todesfällen im Zusammenhang mit dem Coronavirus, darunter acht im Cura-Seniorenzentrum. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Der Kreis bleibt indes bei seinen Zahlen. „Im Cura-Seniorenzentrum gibt es acht Tote im Zusammenhang mit dem Coronavirus“, so Kreissprecher Jochem Manz auf WAZ-Nachfrage. Manz bekräftigte auch die Vorgehensweise des Kreisgesundheitsamtes bei der Pandemie-Bekämpfung. Das Kreisgesundheitsamt habe 120 Stellen in mehreren Ressorts, die sich den seit Wochen andauernden Anforderungen in den zehn Kreisstädten stellten. Die 15 Mitarbeiter im Bereich Infektionsschutz, die auch möglichen Infektionsketten nachgingen, seien durch weitere 100 Mitarbeiter aus anderen Teilen der Kreisverwaltung aufgestockt worden. Manz betont: „Und dabei ergab sich in Gladbeck die Erkenntnis, dass der erste Infizierte im Cura-Heim zuvor im Barbara-Hospital war.“ Das Krankenhaus selbst will sich am Mittwoch zu dem Thema äußern.

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Insgesamt lag am Montagmittag die Zahl der Infizierten in Gladbeck bei 203 – mit Abstand die höchste im Kreis. Seit Tagen steigt in Gladbeck auch wieder die Zahl der aktuell Infizierten: Am Montag waren es 48, vergangene Woche Mittwoch zählte man 41, am Freitag dann 44. Höchstens in Oer-Erkenschwick gibt es einen vergleichbaren Anstieg - dort ist aber (ähnlich wie in Coesfeld) ein fleischverarbeitender Betrieb ursächlich für den jüngsten Anstieg (180 Fälle insgesamt).

Roland: Die Zahlen bekommen eine Dramatik im Vergleich

Bürgermeister Ulrich Roland bleibt in Sachen Corona-Pandemie besorgt und hält die Lockerungen für zwiespältig.
Bürgermeister Ulrich Roland bleibt in Sachen Corona-Pandemie besorgt und hält die Lockerungen für zwiespältig. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

„In Gladbeck gibt es aber nicht ein schlüssiges Ereignis“, so Bürgermeister Roland nach dem Gespräch mit der Kreisspitze. Richtig sei, dass die Zahlen allein für Gladbeck und seine Bevölkerung von 78.000 nicht dramatisch seien. „Aber im Vergleich mit den anderen Städten bekommen die Zahlen eine Dramatik“, so Roland, der inzwischen bereits einen Imageschaden auf die Stadt zukommen sieht.

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Und: „Wenn wir nach Erkenntnissen drängen, geht es nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, zu lernen und Lösungswege zu finden.“ Bedauert wird von Roland, dass der Kreis nicht die Zahl der durchgeführten Corona-Tests nenne. „Diese Zahl im Verhältnis zu anderen Zahlen könnte einiges erklären.“

Lob für die Häuser St. Altfrid und Van Acken des Caritasverbandes

Auffällig sei, so der Bürgermeister, dass in Gladbeck vier Seniorenzentren betroffen seien, darunter das Cura-Haus in Stadtmitte im besonderen. „Von den 20 Todesopfern im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie starben 13 in Senioreneinrichtungen“, so der Bürgermeister: Acht Senioren im Cura-Haus, je zwei im St.-Altfrid-Haus und im Elisabeth-Brune-Zentrum (dort gibt es augenblicklich noch drei Infizierte) und ein Senior im Awo-Seniorenzentrum Brauck. Roland: „Wir müssen weiter Vorsicht walten lassen, die Regeln einhalten.“

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Ausdrücklich lobte der Bürgermeister den Caritasverband, der am Wochenende seine beiden Senioreneinrichtungen (St. Altfrid und Van-Acken-Haus, beide ohne Infizierungen) noch nicht für Besucher öffnete. Die im Augenblick täglichen Corona-Lockerungen hält Roland für „außerordentlich zwiespältig“: gewerbliche Interessen einerseits und der Gesundheitsschutz andererseits müssten gegeneinander abgewogen werden. „Das stellt uns alle vor Herausforderungen.“

98 Neuinfizierte in den vergangenen sieben Tagen

Die Zahl der positiv auf das Corona-Virus getesteten Personen im Kreis Recklinghausen belief sich am Montag auf 1188 Fälle. Als gesundet gelten inzwischen 947 der positiv getesteten Personen. Es gibt kreisweit 34 Todesfälle.

Neu wird vom Kreisgesundheitsamt die Zahl der Neuinfektionen mitgeteilt. Die lag in den vergangenen sieben Tagen bei 98. Die kritische Marke (50 Neuinfizierte pro Woche auf 100.000 Einwohner) liegt im Kreis Recklinghausen bei mehr als 600.000 Einwohnern bei 308. „Sie wird also aktuell nicht erreicht“, so das Gesundheitsamt.

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