Gladbeck. Linienbetreiber Abellio leidet unter Personalmangel und hohem Krankenstand. Die Suche nach einem Ersatzverkehr läuft. Der Start bleibt ungewiss.

Vom Bahnhof Gladbeck-West nach Recklinghausen in 18 Minuten, zurück in 16 Minuten für 2,80 für ein Einzelticket – darauf haben sich viele Berufspendler wie ein 37-jähriger WAZ-Leser, der namentlich nicht genannt werden möchte, und auch Besucher der Kreisstadt gefreut. Wieder zu früh. Mit dem angekündigten neuen Zweig der S9, der Direktverbindung von Bottrop über Gladbeck-West nach Recklinghausen, hat es auch im zweiten Anlauf nicht geklappt. Der Grund: Personalmangel.

Das Verkehrsunternehmen Abellio betreibt im Auftrag des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) seit Mitte Dezember 2019 die S-Bahn Rhein-Ruhr. Zuvor fuhren Züge der Deutschen Bahn auf der S9-Strecke, die im 30-Minuten-Takt von Wuppertal bis Bottrop und von dort stündlich über Gladbeck-West weiter nach Haltern am See führt. Wann der geplante zusätzliche Abzweig nach Recklinghausen realisiert werden kann, ist noch unklar.

Abellio fehlen immer häufiger die Zugführer

„Wie alle Verkehrsunternehmen leiden wir seit geraumer Zeit unter einem Mangel an Triebfahrzeugführern“, sagt Julia Limia y Campos, Abellio-Pressesprecherin NRW auf WAZ-Anfrage. Das sei schon im Winter 2019 der Grund für die Verschiebung des neuen Angebots gewesen. Wie viele andere Verkehrsunternehmen biete auch Abellio mittlerweile neunmonatige Crash-Kurse für Berufsumsteiger an, aber: „Zum einen ist die Nachfrage nicht sonderlich hoch, und dann kam auch noch die Corona-Pandemie, und wir mussten die Ausbildung erst einmal einstellen.“

Aktuell verschärfe ein außergewöhnlich hoher krankheitsbedingter Personalausfall die Situation zusätzlich. „Das hat nur zum Teil mit Corona zu tun. Einige Mitarbeiter mussten in Quarantäne, aber es gibt auch Krankmeldungen aus anderen Gründen“, betont die Pressesprecherin. Angesichts dieses gravierenden Personalmangels habe das Unternehmen, auch in Absprache mit dem Auftraggeber VRR, abwägen müssen, bei welchen Angeboten Abstriche gemacht werden könnten. „Die Verschiebung des neuen S9-Zweigs war das kleinere Übel“, sagt die Pressesprecherin. „Sonst wären andere, wichtigere Leistungen weggefallen.“

VRR über Verschiebung der RE-Verbindung nicht erfreut

Beim VRR ist man über die erneute Verschiebung der Direktverbindung zwischen Gladbeck und Recklinghausen auch nicht sonderlich erfreut, obwohl die Gründe nachvollziehbar seien. „Wir haben das sehr kurzfristig erfahren“, sagt Pressesprecher Dino Niemann. Im Gespräch auf Vorstands- und Geschäftsführerebene habe man Abellio mit Nachdruck auf die Einhaltung der vertraglichen Vereinbarungen hingewiesen. Niemann: „Für nicht erbrachte Leistungen müssen unsere Partner Vertragsstrafen zahlen.“

Den Pendlern nutzt das nichts. Wer ohne Auto von Gladbeck nach Recklinghausen will, muss weiterhin entweder mit der S9 bis Haltern am See fahren und dort in den RE 2 oder RE 42 nach Recklinghausen umsteigen. Fahrzeit: eine Stunde, Kosten für ein Einzelticket: sechs Euro. Alternativ gibt’s noch den Schnellbus SB25 ab Marl. Aber dann dauert die Fahrt von Gladbeck nach Recklinghausen immerhin auch immer noch 40 Minuten. Mit dem Bus der Vestischen (249) über Buer dauert die Fahrt sogar über eine Stunde.

Einen Schienenersatzverkehr nach Recklinghausen wird geprüft

Möglicherweise geht es in absehbarer Zeit doch ein bisschen schneller: Abellio und der VRR prüfen, ob es Möglichkeiten eines Schienenersatzverkehrs auf dieser Strecke gibt. Dann würde auch der der 37-jährige Gladbecker Pendler auf dem Weg zur Arbeit auf das Auto verzichten – und weiter auf die Zugverbindung warten.

Grundsätzlich findet er: „Auch die Politik im Kreis Recklinghausen sollte sich der Thematik annehmen. Es kann nicht sein, dass die Belange des nördlichen Ruhrgebiets immer nach hinten rutschen.“

>>> Auch Taktverdichtung nach Essen bleibt auf der Strecke

Die jetzt erneut verschobene Direktverbindung zwischen Gladbeck-West und Recklinghausen-Hauptbahnhof ist nicht nur ärgerlich für Fahrgäste auf dieser Strecke.

Auch wer von Gladbeck nach Essen fahren möchte, kann weiterhin nur jede Stunde in die S9 steigen. Die Taktverdichtung auf 30 Minuten – je ein Zug aus Haltern und Recklinghausen innerhalb einer Stunde – bleibt ebenfalls auf der Strecke.