Gladbeck. Viele junge Menschen in Gladbeck suchen noch einen Ausbildungsplatz, doch einige Unternehmen haben andere Sorgen. Grund ist die Corona-Pandemie.
Mehr als 2300 junge Menschen streben aktuell im Kreis Recklinghausen noch nach einem Ausbildungsplatz für dieses Jahr. Die Corona-Pandemie macht ihnen die Suche wahrscheinlich nicht leichter. Denn viele kleine und mittlere Unternehmen, die gewöhnlich im Frühjahr in die Bewerberauswahl einsteigen, haben jetzt ganz andere Sorgen. Wie sich das Virus auf den Ausbildungsmarkt auswirkt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.
„Wir sind froh, wenn wir bestehendes Personal halten können“, sagt Thorsten Nagel von Glas Nagel. Wie viele andere Handwerksbetriebe sei er im Moment ängstlich. Auch wenn er derzeit noch gut zu tun habe, ein wichtiger Großauftrag sei eben erst aufgrund der Corona-Pandemie verschoben worden. „Das tut schon weh. Man hängt ein bisschen in der Luft.“ Breche ein weiterer Großauftrag weg, könne er zum Herbst keinen Azubi einstellen, den er für den Betrieb eigentlich noch gut gebrauchen könnte. Denn: „Fachkräftemangel herrscht schließlich immer noch.“
Viele Jugendliche entscheiden sich noch um
Die Zahlen vom Ausbildungsmarkt, die die Arbeitsagentur Recklinghausen Ende März veröffentlicht hat, signalisieren eine Fortsetzung des Vorjahrestrends: leichte Entspannung. Allerdings wurden die Werte weitgehend erhoben, bevor sich die Corona-Krise zugespitzt hat. Die Zahl der Bewerber (3808) ist von Oktober 2019 bis März 2020 um 4,7 Prozent gesunken, das Angebot an gemeldeten Stellen (2598) hat sich um 1,1 Prozent verringert. Aktuell stehen 2325 unversorgten Jugendlichen 1769 offene Lehrstellen gegenüber. Das Angebot reicht also schon rein zahlenmäßig nicht aus.
Allerdings zeigt die Erfahrung, dass sich viele Jugendliche wieder aus dem Vermittlungsprozess abmelden, weil sie sich doch für einen weiteren Schulbesuch, Studium, Wehrdienst, ein freiwilliges soziales Jahr oder einen Auslandsaufenthalt entscheiden. Außerdem rechnet die Arbeitsagentur damit, dass Unternehmen weitere Ausbildungsstellen melden – wegen Corona möglicherweise mit Verzögerung.
Arbeitsagentur-Leiter: Bemühungen um einen Ausbildungsplatz nicht aufschieben
Daher rät auch die Arbeitsagentur Recklinghausen den Unternehmen dringend dazu, an ihren Ausbildungsplänen festzuhalten. „Der Bedarf an Fachkräften bleibt schließlich bestehen – auch nach der Corona-Zeit“, so Cordula Cebulla, Sprecherin der Arbeitsagentur. „Ich rate allen Schülern und Eltern dringend, auch in Zeiten der Corona-Pandemie ihre Bemühungen um einen Ausbildungs- oder Studienplatz nicht aufzuschieben oder einzustellen“, sagt Frank Benölken, Leiter der Recklinghäuser Arbeitsagentur. Das gelte insbesondere für alle Jugendlichen der Entlassklassen, die noch keine Berufswahlentscheidung getroffen oder keine konkrete Anschlussperspektive hätten.
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Auch auf den größten Ausbilder Gladbecks – die Stadtverwaltung – hat Corona Auswirkungen. Während für die Verwaltungsfachangestellten und die Inspektoranwärter für den gehobenen Dienst die Auswahlverfahren schon abgeschlossen sind, sind die fünf Azubis für Berufe wie Fachinformatiker oder Veranstaltungstechniker noch nicht gefunden. Die Bewerbungsfrist ist Ende Februar ausgelaufen, die Auswahlgespräche allerdings stehen noch an. „Wir werden sie wahrscheinlich in einem sehr großen Raum, etwa dem Ratssaal, stattfinden lassen, um den nötigen Mindestabstand einzuhalten“, so Stadtsprecherin Christiane Schmidt.
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Die städtischen Brandmeisteranwärter starteten ihre Ausbildung mit Urlaub
Ab 1. April wären eigentlich schon die 14 Brandmeisteranwärter im Dienst. Aber: Wegen Corona haben diese ihre Ausbildung erst einmal mit Urlaub begonnen. „Am 20. April soll es jetzt aber für sie losgehen“, so Schmidt. „Sie müssen jetzt jedoch anfangen, zunächst mit der Theorie, denn irgendwann brauchen wir sie ja für den Dienst.“ Für die theoretischen Inhalte geht es für die Brandmeisteranwärter ins Gerätehaus Nord, dort ist genügend Platz, sie sollen Mundschutz tragen, der Raum wird jeden Abend desinfiziert.
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Carolina Volk, Geschäftsführerin der Völker Tiefbau GmbH, fängt schon früh damit an, Auszubildende in einem dreistufigen Prozess auszuwählen. „Zwei junge Leute haben wir schon, die wir gerne nehmen möchten, da steht jetzt nur noch die Vertragsschließung aus“, sagt sie. Plätze habe sie für bis zu fünf Azubis. „Wenn wir weitere Bewerbungen bekommen, wären wir schon vorsichtig.“ Bewerbungsgespräche würde sie dann etwa per Skype führen, das vor Ausbildungsbeginn nötige Praktikum zeitlich nach hinten verlagern. „Wir müssen erst einmal abwarten, wie es mit den Kontaktsperren weitergeht.“
Vieles ist in diesen Wochen zum Erliegen gekommen – die Berufsberatung nicht. Zwar finden die Beratungsgespräche nicht mehr in den Büros der Arbeitsagentur statt, aber am Telefon oder per E-Mail können sich Jugendliche mit den Berufsberatern über ihre Zukunftspläne austauschen. Termine können unter oder per Mail an recklinghausen.berufsberatung@arbeitsagentur.de vereinbart werden. Lehrstellenangebote werden digital verschickt.