Gladbeck. Glashersteller reagiert auf den massiven Nachfrageeinbruch der Automobilhersteller in Folge der Corona-Krise. Kurzarbeit für die 520 Mitarbeiter.
Die Pilkington Deutschland AG hat am Dienstag als Folge der Corona-Krise im Gladbecker Werk die Glasproduktion an der Floatglaslinie 2 bis auf Weiteres gestoppt. Die Linie 1 im Werk an der Hegestraße bleibt weiter in Betrieb, aber auch hier mit "angepasster Kapazität", wie es aus der Konzernzentrale in Gelsenkirchen heißt. Insgesamt wird die Produktion um etwa 50 Prozent abgesenkt. Für alle 520 Mitarbeiter meldete Pilkington Kurzarbeit an.
Derzeit sei geplant, die Linie 2 in etwa zwei Monaten wieder anzufahren. „Da die gegenwärtige Situation sehr dynamisch ist, werden wir die Entwicklung in den Märkten, insbesondere in der Automobilindustrie, sorgfältig beobachten, um angemessen und flexibel reagieren zu können“, erklärt Christoph Claesges, seit Februar neuer Werksleiter in Gladbeck und damit Nachfolger von Reinhard Regulski, der in den Ruhestand ging.
Pause in der Produktion ist für zwei Monate geplant
Ursache für die drastische Maßnahme durch die Unternehmensleitung ist der erhebliche Nachfragerückgang aus der Automobilindustrie. Pilkington hatte in den vergangenen Wochen, seitdem sich die Corona-Krise verschärfte, zunehmend festgestellt, dass der Bedarf an Fahrzeugglas "rapide" sinkt - eine Folge der umfassenden Produktionskürzungen bzw. vorübergehenden Stilllegungen in der Automobilindustrie. Das Unternehmen, das sich seit Wochen auf die Krise vorbereitet, habe sich daher dazu entschlossen, die Produktion an der Linie 2 zu unterbrechen, heißt es in einer Mitteilung.
Dies geschehe im Rahmen einer sogenannten „Hot Hold Period“, bei der die Glaswanne kontrolliert auf Temperatur und damit auch ohne fortlaufende Glasproduktion in einem stabilen Zustand gehalten werden kann. Anders als nach einer Kaltreparatur erlaube dies eine im Vergleich zügige Wiederaufnahme der Produktion: Bereits nach spätestens zwei Tagen sei wieder die Betriebstemperatur von gut 1500 Grad erreicht, und nach weiteren drei bis vier Tagen laufe dann das Glasband kontinuierlich.
Pilkington stockt das Kurzarbeitergeld der Mitarbeiter auf
Die Linie 2 im Rentforter Flachglaswerk produziert primär Flachglas für die Weiterverarbeitung zu Fahrzeugglas an den Automotive-Standorten der NSG Group, zu der Pilkington gehört. Darüber hinaus werden an der Linie aber auch Sonderprodukte und Spezialgläser für die Bauindustrie hergestellt. Die Linie 1 produziert in erster Linie Bauglas.
Für die 520 Mitarbeiter beantragte Pilkington wegen der eingeschränkten Produktion rückwirkend ab dem 1. April 2020 Kurzarbeit - auch wenn die Produktion an der Floatglaslinie 1 weiter läuft. Pilkington stockt das Kurzarbeitergeld für Mitarbeiter mit Kindern auf 90 Prozent auf, für die übrige Belegschaft auf 88 Prozent.
Erst im vergangenen Jahr wurden 30 Millionen Euro investiert
Erst im vergangen Sommer hatte Pilkington die Produktionslinie 2 nach geplanter Kaltreparatur, die alle 15 Jahre ansteht, und einer 30 Millionen Euro teuren Modernisierung wieder in Betrieb genommen. Die Investition galt als ein Bekenntnis zum Standort Gladbeck und ein Zeichen zur Absicherung der Jobs.
Es ist erst das zweite Mal in der weit über 40-jährigen Geschichte des Flachglaswerkes, dass die Glasproduktion, die normalerweise an 365 Tagen rund um die Uhr läuft, außerplanmäßig gestoppt werden musste. Vor gut zehn Jahren, nach der Finanzkrise, ruhte eine Linie zwei Monate. Die Kapazitäten sanken um mehr als 20 Prozent, sechs Monate wurde Kurzarbeit gefahren, niemand wurde entlassen. Anfang der 80er Jahre ruhte die Produktion bei einer noch größeren Krise sogar eineinhalb Jahre.
>>> Das Flachglaswerk gibt es seit 1972
Das Werk an der Hegestraße wurde 1972 von der Flachglas AG gebaut und nahm 1974 die Produktion auf. 1989 übernahm der englische Glashersteller Pilkington die Mehrheit an der AG, was aber erst Ende der 90er Jahr durch Umbenennung des Konzerns nach außen deutlich wurde.
2006 kam Pilkington, das auch Werke und seinen Sitz in Gelsenkirchen hat, sowie weitere Werke in Weiherhammer (Bayern) und in Schmelz (Saarland) fährt, zur japanischen NSG Group - dem weltweit größten Glashersteller.