Gladbeck. Nach und nach werden Polizeibeamte im Kreis Recklinghausen für den Einsatz von Bodycams geschult. Vereinzelt kamen die Kameras schon zum Einsatz.

Noch sind nicht alle geplanten 200 Bodycams für den Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Recklinghausen, zu dem auch Gladbeck gehört, verteilt. Peu a peu soll dies bis Ende dieses Jahres geschehen. Polizeihauptkommissar Andreas Wilming-Weber, Leiter der Pressestelle in der Behörde, weiß zu berichten: „In einzelnen Fällen kamen die Bodycams schon zum Einsatz.“

Gladbeck: Die Statistik des Polizeipräsidiums Recklinghausen weist 320 Angriffe auf Polizeibeamte und Co, für das Jahr 2018 aus

Denkbare Situationen, in denen Beamte die kleinen Kameras an ihrer Uniform auslösen, seien Vorfälle von häuslicher Gewalt oder Konfrontationen mit alkoholisierten Menschen. Wenn es brenzlig werde, etwa bei tätlichen Angriffen, können die Polizisten die Kollegin „Bodycam“ einschalten. Sie soll kritische Lagen im Streifendienst entschärfen und die Einsatzkräfte vor Übergriffen schützen.

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Und Widerstand sowie Attacken gegen Polizeibeamte und „gleichstehende Personen“, wie es so schön im Amtsdeutsch heißt, nehmen laut Statistik zu. Wilming-Weber: „Im Jahr 2017 hatten wir 276 Fälle, 2018 insgesamt 320.“ Opfer seien zwar größtenteils Polizeibeamte, aber nicht nur. Auch Fälle, in denen beispielsweise Gerichtsvollzieher oder Rettungssanitäter, eben besagte „gleichstehende Personen“, angegangen wurden, sind gelistet.

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Im Idealfall, so der Polizeisprecher, wirke der Bodycam-Einsatz deeskalierend, wenn der Angreifer wisse: „Mein Gesicht, meine Äußerungen, meine Handlung werden gefilmt.“ Dann könne der Aggressor ruhiger werden und von seinem Vorhaben ablassen. „Er wird von dem Beamten darauf hinwiesen, dass die Kamera eingeschaltet wird“, erläutert Wilming-Weber. Zudem könne das aufgenommene Ton- und Bildmaterial mit hoher Auflösung auch möglicherweise vor Gericht als Beweismittel dienen.

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Allerdings müssten die Kollegen zunächst sukzessive geschult werden, unter welchen Voraussetzungen sie den Knopf für die digitale Aufnahme überhaupt drücken dürfen. Hunderte Beamte werden entsprechend qualifiziert. Dabei geht es weniger um die Handhabung des Gerätes als um Rechts- und Datenschutzfragen sowie interne Abläufe. Die Schulung übernehmen Beamte, „die in der Weiterbildung tätig sind“.

Modernisierungsoffensive

Bis zum Ende des Jahres 2020 will das Land Nordrhein-Westfalen flächendeckend Polizeibeamte mit Bodycams ausstatten. Geplant ist die Anschaffung von rund 9000 Geräten. Kosten: sieben Millionen Euro.

Innenminister Herbert Reul: „Wir brauchen auch moderne Rechner und neue Software, um die Bilder zu verwerten. Das alles muss außerdem den höchsten Sicherheitsstandards des Datenschutzes entsprechen.“

Die Bodycams sind Teil einer Modernisierungsoffensive des Innenministeriums. Dazu gehören auch die Ausstattung der Polizeibeamten mit Smartphones und die Anschaffung neuer Streifenwagen.

Die Kameras samt Ladestationen sollen auf die Wachen verteilt werden. Über eine Software werde kontrolliert, welcher Beamte gerade eine Bodycam an sich genommen, wer sie gegebenenfalls eingeschaltet habe. Das Material werde auf Server übertragen: „Sie stehen nicht zentral im Polizeipräsidium Recklinghausen, sondern werden verteilt.“ Die Aufnahmen werden 14 Tage gespeichert, bevor sie von der Bildfläche verschwinden – es sei denn, es handle sich um ein „Ereignis“, das gesichert werde.

„Nicht jeder hat die Berechtigung, das Material einzusehen“, unterstreicht Andreas Wilming-Weber. Zugriff auf die Server haben Beamte, die Experten in Datenschutzangelegenheiten seien – „und das ist nur ein ganz, ganz kleiner Teil der Polizisten“.

In einigen Städten wie Essen, Mülheim und Duisburg gehören Bodycams bereits zur Standardausstattung für die Polizei. Wilming-Weber: „Für uns ist es wichtig, dass wir eigene Erfahrungen sammeln.“ Für ihn sind die „Einschaltquoten“ weniger relevant als die Antwort auf die Kernfrage: „Hat es Einsätze gegeben, bei denen auf den Einsatz der Bodycam hingewiesen wurde und in denen daraufhin ein Übergriff ausblieb?“ Andreas Wilming-Weber meint: „Je weniger Kamera-Einsätze, desto besser.“ Denn dann gab’s für die Beamten keine brenzligen Situationen, die einen Knopfdruck erforderlich machten.