Gladbeck. Grüne Innenbereiche in Wohnblöcken dürfen jetzt auch mit Wohnhäusern bebaut werden. In der Vergangenheit wurde Hinterlandbebauung nicht genehmigt
Der Ärger einiger Anwohner von Voßstraße und Lange Straße zu einem Bauvorhaben zeigt als eine Art Präzedenzfall auf, dass die Stadtverwaltung jetzt generell die Bebauung von Hinterlandgrundstücken in Wohngebieten großzügiger handhabt. „Es ist Ziel der Stadt, Baulücken zu schließen und auch die Wohnbebauung in so genannten In-Block-Bereichen zu ermöglichen, wo das früher nicht zulässig gewesen wäre“, erklärt Peter Breßer-Barnebeck, Leiter des Referats Wirtschaftsförderung. Das wertet stadtweit Grundstücke in Blockinnenbereichen auch finanziell auf, die zuvor nur als Garten- und Grünflächen genutzt werden durften.
Zum Beispiel das grüne Hinterland, das sich im Innen-Carré an die Häuser Voßstraße, Lange Straße und Konrad-Adenauer-Allee anschließt. „Unsere grüne Oase, die jetzt zugebaut wird“, schimpfen die protestierenden Grundstückseigner um Bernd Weber, der mehr als 40 Protestunterschriften gesammelt und den Bürgermeister angeschrieben hat. „Wir sind vorab von der Stadt nicht über den Sinneswandel informiert worden und fühlen uns ungleich behandelt“, so der Diplom Ingenieur für das Bauwesen. Er selbst und auch Nachbarn hätten in den zurückliegenden Jahrzehnten immer mal wieder versucht, ihre großen Hinterland-Gartenflächen zur Bebauung für Wohnzwecke zu nutzen, „das ist von der Stadt immer rigoros abgelehnt worden“. Auch für bestehende Nebengebäude, „wie eine nicht mehr genutzte Backstube“, habe das kategorische „Nein“ der Stadt zur Wohnraumnutzung gegolten, informiert Anwohner Peter Nowara.
Das Bauen im Hinterland ist nach dem Baugesetzbuch auch ohne Bebauungsplan möglich
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Das sei wohl so gewesen, sagt Peter Breßer-Barnebeck auf Anfrage der WAZ, aber Bestimmungen und deren Handhabung hätten sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert, so auch in der Baugesetzgebung. Das aktuelle Vorhaben an der Voßstraße sei auf Grundlage des Paragrafen 34 des Baugesetzbuches (BauGB) zu genehmigen, „der Hinterlandbebauung in unbeplanten Innenbereichen zulässt, wenn sich das Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt“. Hierzu gebe es auch aktuelle Änderungen und rechtliche Hinweise, „wonach die Kommunen aufgefordert sind, an die Wohnbebauung im Hinterland großzügiger heranzugehen“. Dabei müssten natürlich die grundsätzlichen baurechtlichen Parameter, wie die Einhaltung von Abstandsflächen oder die Zuwegung und Erschließung der Grundstücke gegeben sein.
Die protestierenden Anwohner zweifeln, ob sich ein zweigeschossiges Wohnhaus, wie es schon auf einem Werbeschild auf dem Baugrundstück zu sehen ist, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. „Bislang stehen im Hinterland doch lediglich Schuppen oder Garagen“, so Bernd Weber. Peter Breßer-Barnebeck sieht das anders: „Ein Blick via Computerprogramm auf die Satellitenansicht des Hinterlandbereiches zeigt doch, dass auf einigen rückwärtigen Grundstücken bereits Wohnbebauung steht.“
Die Ungleichbehandlung bei Bauprojekten könnte für Ärger und Spannungen in der Nachbarschaft führen
Was die Grundstückseigner auch wurmt, „ist die Ungleichbehandlung, die für Ärger und Spannungen in der Nachbarschaft bei Bauprojekten führen könnte“. Denn mit etwa 70 Prozent komme der Großteil der Grundstücke für eine Hinterlandbebauung nicht infrage, weil die geschlossene Bebauungsfront zur Straße keine Zuwegung zu einem neuen Haus ermöglichen würde. Und dass das Grünland als potenzielles Bauland erheblich an Wert gewinne, zeige der aktuelle Fall.
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Bernd Weber: „Bislang sind wir von einem Wert von etwa 30 Euro pro Quadratmeter ausgegangen.“ Damit habe das im Fokus stehende 872-Quadratmeter-Grundstück bei etwa 26.000 Euro gelegen, „das als Bauland dann jetzt für 140.000 Euro auf einem Immobilienportal angeboten worden ist“.
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Bauingenieur Weber hat dazu einen friedenstiftenden Vorschlag erstellt: „Alle Hinterlandbesitzer würden profitieren, wenn man einen generellen Bebauungsplan mit einheitlichem Zuschnitt und identischer Bebauung anstreben würde.“ Für die Stadt ein kaum praktikables Verfahren, „da diesem alle Grundstücksbesitzer auch mit dem Abriss bestehender Gebäude zustimmen müssten“, so Peter Breßer-Barnebeck.