Gladbeck. Bahnkunden beschweren sich über Verspätungen und Ausfälle auf der Linie S 9. Ursachen laut VRR: technische und personelle Probleme.

In Null-Komma-nichts sind Bahnkunden derzeit auf 180, wenn es um Fahrten mit der S 9 geht. Oder vielmehr: Weil Züge eben nicht fahren. Oder nicht so, wie sie sollten. Etliche Pendler haben sich in der WAZ-Redaktion Gladbeck beschwert.

Gladbeck: Bahnkunden beschweren sich über Verspätungen und Ausfälle

Sie berichten einhellig von bis zu 45 Minuten Verspätungen und sogar Zugausfällen. Schon kurz nach der ÖPNV-Umstellung, „die ja großartige Verbesserungen bringen sollte“, so Hermann Sperl, hegte dieser die Befürchtung, „dass dies nicht nur kleinere Startprobleme sind“. Der Gladbecker „musste feststellen, dass ich leider Recht mit meinen Bedenken hatte“. Dabei sei er von Gladbeck-West – mit einem Umstieg am Bottroper Hauptbahnhof – nach Oberhausen „mit zwei Minuten Verspätung, aber 15 Minuten fahrplanbedingter Zwangspause in Bottrop in der Eiseskälte stehend, noch gut weggekommen“.

Ein Gladbecker berichtet: „Abellio nahm die S 9 einfach aus dem Verkehr“

Schlechter sei es da Nutzern der S 9 nach Wuppertal ergangen, die schon „in der Früh ihren ersten Komplettausfall“ hinnehmen mussten. „Am Spätnachmittag – Umstieg in Bottrop – hatte die S 9 wieder in beiden Fahrtrichtungen Verspätung, die nach Haltern über 30 Minuten“, berichtet Sperl. Das Nachsehen hätten Kunden gehabt, deren Ziel nicht Gladbeck, sondern Haltern gewesen sei: „Abellio nahm die S 9 aus dem Verkehr, ließ sie einfach mal in Gladbeck-West enden.“

Ähnlich schildert beispielsweise Rüdiger Schramowski die Probleme auf der besagten Linie. Er beschreibt als Konsequenz: „Da Fahrgäste gezwungenermaßen zwischen 6 und 8 Uhr auf den RE 14 ausweichen müssen, kommt es teilweise zur Überfüllung dieser Züge nach Essen.“ Fahrgäste müssten bisweilen mehr als eine Stunde warten, „weil sie wegen Überfüllung und Ausfalls der S 9 in die Züge des RE 14 nicht mehr reinpassen“. Das wiederum führe zu Schwierigkeiten mit Anschlussverbindungen, beklagen Nutzer.

Ein Beobachter stellt fest: Einige Fahrgäste seien wieder aufs Auto umgestiegen

Frei nach dem Theaterstück „Warten auf Godot“ von Samuel Beckett könnte es nach Berichten von WAZ-Lesern fast heißen: „Warten auf die S 9“. Denn gerade im Berufsverkehr zwischen Gladbeck und Bottrop seien Fahrten ersatzlos gestrichen worden. Dutzende Menschen, so Schramowski, wurden im Regen stehen gelassen. Er findet: „Das ist eine bodenlose Frechheit, die der VRR den Fahrgästen zumutet.“

Sabine Tkatzik, Pressesprecherin beim Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), räumt auf Anfrage dieser Zeitung ein: „Auf der S 9 gibt es nach wie vor Schwierigkeiten“, so dass diese Verbindung „sehr unregelmäßig“ bedient werde. Die Situation sei für das Verkehrsunternehmen „sehr unbefriedigend“. Tkatzik: „Wir haben deswegen schon zweimal mit Abellio, dem vom VRR beauftragten Dienstleister, Gespräche geführt.“

VRR: Die neuen Fahrzeuge haben noch „Kinderkrankheiten“

Eine Ursache der Störungen sei technischer Natur. Auf der Strecke seien Neufahrzeuge des Typs Flirt im Einsatz, die noch „einige Kinderkrankheiten“ hätten: Mal schließe eine Tür nicht richtig, mal bremse eine gefrorene Oberleitung den Zug aus. Die VRR-Sprecherin führt außerdem an: „Es gibt einige Probleme in der Infrastruktur. Wegen der dichten Belegung im Knotenpunkt Essen kommt es zu Verspätungen. Die Wendezeiten sind sehr kurz, so dass wir keinen zeitlichen Puffer haben.“ Zudem fahre Abellio, in Abstimmung mit dem VRR, personell nach einem Notfallplan. Sabine Tkatzik: „Erst Ende Januar wird es genug Personal geben.“

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Der Gladbecker Hermann Sperl hat nach eigenen Worten erfahren, dass Bahnunternehmen wie Abellio und NordWestBahn „keinen Cent vom VRR bekommen, wenn der Zug 30 Minuten Verspätung eingefahren hat“: „Da ist es für die Unternehmen billiger, den Zug dann ganz auszufallen lassen.“ Der Kritiker bezeichnet dies als „Riesensauerei“.

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Tkatzik bestätigt: „In einem Vertragswerk ist geregelt: Bei Verspätungen werden Strafzahlungen fällig. Das gilt bereits bei kleinsten Verspätungen.“ Einzelheiten und die Gesamthöhe dieses Postens pro Monat oder Jahr vermochte die VRR-Sprecherin nicht zu nennen. Sie verwies auf die Abellio-Pressestelle. Doch die sah sich trotz mehrfacher Anfrage der WAZ nicht in der Lage, Informationen dazu und zum Problemkind S 9 zu geben.

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„Was nutzen schicke, hochmoderne Züge, wenn sie so witterungsempfindlich sind? Was nutzt ein vermeintlich toller, angeblich verbesserter Takt, wenn er quasi mit der heißen Nadel gestrickt ist“, fragt Sperl, der vom „Dilettantismus im ÖPNV“ spricht. Selbst skeptische Bahnbedienstete hätten ihm gegenüber von „dicken Systemfehlern“ gesprochen. Der Gladbecker: „Ich weiß von etlichen Mitreisenden, dass sie wieder ihr Auto nutzen.“

Wegen Bauarbeiten fallen Züge auf der Linie RE 44 ganztägig aus

Aufgrund von Bauarbeiten der DB Netz AG entfallen am Samstag, 18. Januar, und Sonntag, 19. Januar, ganztägig die Zugverbindungen auf der Linie RE 44 zwischen Bottrop Hauptbahnhof (Hbf) und Oberhausen Hbf. Die NordWestBahn kündigt an, für alle ausfallenden Verbindungen einen Schienenersatzverkehr mit Bussen einzurichten.

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Die Ersatzbusse starten am Bottroper Hauptbahnhof zur Minute 33 und somit zur gleichen Abfahrtszeit der regulären Zugverbindungen. Aufgrund der längeren Fahrzeit der Busse wird Oberhausen Hbf erst zur Minute 04 erreicht und damit 20 Minuten später als die jeweils reguläre Zugverbindung. Auch an den Bahnhöfen Bottrop-Vonderort und Oberhausen-Osterfeld Süd gibt es entsprechend geänderte Ankunfts- und Abfahrtszeiten. Ausnahmen: Bei der jeweils letzten regulären Zugverbindung des Tages startet der Bus um 23.43 Uhr – zehn Minuten später als sonst.

Die NordWestBahn will auf der betroffenen Strecke Ersatzbusse einsetzen

In Oberhausen Hbf starten die Ersatzbusse zur Minute 05, also acht Minuten früher als die reguläre Zugverbindung. Die Busse kommen am Bottroper Hbf zur Minute 29 an (vier Minuten später als regulär). An den Bahnhöfen Oberhausen-Osterfeld Süd und Bottrop-Vonderort gelten entsprechend geänderte Zeiten. Ausnahmen: Bei der jeweils letzten regulären Zugverbindung des Tages startet der Bus um 23.15 Uhr statt um 23.13 Uhr.

Die NordWestBahn bittet Personen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, sich so früh wie möglich vor Fahrtantritt unter zu melden. Informationen zum Ersatzfahrplan und weitere Auskünfte: www.nordwestbahn.de, www.bahn.de, mobil.vrr.de