Gladbeck. Die Gladbecker MineralPlus GmbH handelte mit gefährlichen Raffinerie-Rückständen. Sonderabfälle, die sonst teuer entsorgt werden müssten.
Der landesweite Umweltskandal um Handel, illegale Lagerung und Verbrennung von giftigen Industrieabfällen wie Petrolkoks in Kraftwerken bleibt brisantes Thema auch mit Fokus auf Gladbeck. Der Landtagsabgeordnete und SPD-Fraktionschef Michael Hübner kritisiert im Gespräch mit der WAZ „den offensichtlich wenig verantwortungsvollen Handel mit giftigen Abfällen der Chemieindustrie durch die in Gladbeck firmierende Steag-Tochter MineralPlus GmbH“. Ein erschreckender Geschäftsalltag, der die Notwendigkeit von externen und unabhängigen Kontrollen verdeutliche, so Hübner. Hier sei die schwarz-gelbe Landesregierung zu kritisieren, „die die von Rot-Grün installierte Taskforce Umweltkriminalität abgeschafft hat“. Wie die Recherche der WAZ ergab, bereitet MineralPlus auf ihrem Werksgelände auch täglich 500 Tonnen belastete Rückstände aus Müllverbrennungsanlagen für die Endlagerung auf.
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Im Gladbecker Umweltausschuss war zum Jahresende der Handel und die Verbrennung von Petrolkoks an der Stadtgrenze im BP Kraftwerk in Scholven sowie in den Steag-Kraftwerken in Herne und Lünen thematisiert worden. Die Ratsfraktion Die Linke hatte um Auskunft zum Umgang mit gefährlichen Raffinerierückständen in Gladbeck gebeten. Konkret wurde gefragt, ob die mit den krebserzeugenden Schwermetallen wie Vanadium und Nickel belasteten gefährlichen Abfälle aus den Chemieanlagen der BP Ruhr Öl in Gelsenkirchen und der Schell Deutschland Oil GmbH (Wesseling bei Köln) von MineralPlus in Gladbeck weiterverarbeitet werden, die auch Baustoffe aus Abfällen produziere – und welche Genehmigungen die Steag-Tochter für den Umgang mit diesen hat. Weitere Sorge: Dass Gladbecker Gebiet durch die Ölpellet-Verbrennung an der unmittelbaren Stadtgrenze im Kraftwerk Scholven „von schädlichen Umweltbeeinträchtigungen betroffen“ sein könnte.
Aufsichtsbehörde: Gefährliche Raffinerie-Abfälle der Shell wurden nicht in Gladbeck gelagert
Gefährlicher Abfall
Landesumweltministerin Ursula Heinen-Esser hat gegenüber dem Umweltausschuss des Landes festgestellt: „Nach heutigem Stand der Erkenntnis ist der Rückstand aus der Schwerölvergasung (Shell Rheinland Raffinerie) als gefährlicher Abfall einzustufen und sein Einsatz in Anlagen,wie Kraftwerken, hätte mit dem Wissen von heute nicht als Petrolkoks und als Regelbrennstoff immissionsschutzrechtlich genehmigt werden dürfen.“ Seit Ende Juli 2019 werde der ehemalige Petrolkoks ausschließlich wie gefährlicher Abfall entsorgt, alle bisherigen Abnehmer der Rückstände seien informiert.
Das Ministeriums listet auf öffentlichen Druck auch konkret die zunächst geheimgehaltenen 24 Unternehmen (eines geschwärzt) auf, die Raffinerie-Rückstände der Shell eingesetzt haben. Darunter die Gladbecker Mineralplus oder die Deponien Emscherbruch in Gelsenkirchen und Troisdorf. Angaben zu den Mengen und Zeiträumen fehlen hier aber, anders als bei den sonstigen Unternehmen. Größter Abnehmer mit 87.442 Tonnen (2003-17) war das Steag Kraftwerk Herne. Die Kokerei Prosper in Bottrop verfeuerte von 2015-17 satte 11.962 Tonnen des gefährlichen Sonderabfalls.
Die Stadtverwaltung hatte daraufhin die Bezirksregierung Münster als Aufsichtsbehörde um Antworten gebeten. Die Behörde teilte schriftlich mit: „Der Einsatz von Ölpellets im Kraftwerk Scholven erfolgt legal“ und halte die Emissionsanforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ein, so dass schädliche Umweltauswirkungen für die Bürger der Stadt Gladbeck nicht zu befürchten seien. Die Firma MineralPlus trete im Zusammenhang mit der Entsorgung gefährlicher Abfälle der Shell Deutschland Oil „ausschließlich als Händler beziehungsweise Makler auf“. In der Anlage an der Stollenstraße „wurde und wird der Rückstand aus der Raffinerie der Shell Deutschland Oil GmbH weder behandelt noch gelagert“.
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Steag-Pressesprecher Daniel Mühlenfeld bestätigt auf Anfrage, dass das Tochterunternehmen MineralPlus in Gladbeck keinen Petrolkoks verarbeitet oder zwischenlagert. Gleichwohl verarbeite das zertifizierte Unternehmen, das zur Steag Power Minerals GmbH gehöre, in Gladbeck „toxische Rückstände aus Müllverbrennungsanlagen“. Die belasteten Stoffe würden über die Siloanlagen durch Beimischung anderer Stoffe soweit aufbereitet, „dass sie als Versatzbaustoff für die Endlagerung in unterirdischen Kavernen oder Salzstöcken verwendet werden können“. An 250 Werktagen pro Jahr kämen „täglich rund 500 Tonnen belastete Rückstände aus Müllverbrennungsanlagen in Deutschland und dem benachbarten Ausland im Gladbecker Werk an“. Etwa die gleiche Menge aufbereitetes Material verlasse das Werk dann täglich wieder.
Unbelasteter Abfall aus Müllverbrennungsanlagen wird für die Baustoffproduktion in Gladbeck genutzt
Davon strikt zu trennen sei die Aufbereitung unbelasteter Verbrennungsabfälle für die Baustoffproduktion. In diesem zweiten Produktionszweig würden unterschiedlichste Abfälle als Ersatz natürlicher Baustoffe wie Zement, Kalk oder Gips genutzt. Mühlenfeld: „In der Silomischanlage werden fein- und feinstkörnige Trockenstoffe zu mineralischen Bau-, Füll- und Versatzstoffen verarbeitet. Bei den eingesetzten Trockenstoffen handelt es sich um staubförmige Abfälle wie Flugstaub oder Filteraschen.“
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Für Michale Hübner ist es ein genereller Skandal, „dass Chemieunternehmen teils mit ihren eigenen gefährlichen Abfällen, statt der kostenverursachenden Entsorgung auf Sonderdeponien oder in Sonderverbrennungsanlagen, offenbar noch kräftig Geld verdienen“. Wie seine politische Anfrage und weitere Recherchen der WAZ ergeben hätten, seien belastete Raffinerie-Rückstände der Shell Oil auch in einem Ziegelei-Werk verarbeitet worden. „Nach meinen Informationen wurden die Ölpellets zur Klinker-Herstellung verwendet“, so Hübner. So stelle sich die Frage, „ob viele Bürger nichts ahnend - eventuell auch in Gladbeck - indirekt Sondermüll an ihrer Hauswand verbaut haben“.