Gladbeck. Bürger versammelten sich in Wittringen. Bürgermeister Roland und Museumsleiter Borchard riefen dazu auf, für Demokratie und Toleranz einzustehen.
Geschichtsbewusste Gladbecker gedachten am Samstag in Wittringen der Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, die als Pogromnacht in die Geschichte einging, waren auch in dieser Stadt Juden attackiert und schikaniert worden.
Nationalsozialisten zerstörten jüdische Beträume in Gladbeck
Zum 81. Gedenktag erinnerte Bürgermeister Ulrich Roland an die Ereignisse dieser Nacht und appellierte, entschieden für eine offene und tolerante Gesellschaft einzutreten. „Seit 31 Jahren treffen wir uns hier, um zu trauern, zu erinnern und zu mahnen“, eröffnete er die Gedenkveranstaltung und skizzierte die Erlebnisse der Pogromnacht 1938, als auch in Gladbeck Nationalsozialisten jüdische Beträume verwüsteten und anzündeten.
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Besonders das Schicksal des Gladbeckers Max Kaufmann, dessen Familie aus den Betten gerissen, verhaftet und später deportiert wurde, zeige, wie Bürger, die bis dahin in der Mitte der Gesellschaft standen, Opfer antisemitischer Anfeindungen wurden. Dabei betonte Roland, dass diese Gewalt nicht heimlich, sondern „unter den Augen der Gladbecker und mit ihrer Beteiligung“ geschah.
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Wie der Bürgermeister berichtete, sorgten sich immer mehr Mitglieder der jüdischen Gemeinde heute wegen einer vermehrt antisemitischen Stimmung. Roland forderte die Stadtgesellschaft daher auf, Haltung zu zeigen. Er rief dazu auf, bei antisemitischen oder rassistischen Äußerungen und Handlungen, wenn sie ihnen begegneten, nicht zu schweigen: „Die Zeit des Schweigens und Hinnehmens ist längst vorbei“. Besonders mit Blick auf aktuelle politische Entwicklungen müsse man noch entschiedener für eine offene Gesellschaft und Toleranz eintreten, so Roland.
Bürgermeister Roland fordert dazu auf, sich gegen antidemokratische Gesinnungen einzusetzen
Er forderte die Anwesenden auf, sich vor allem inhaltlich gegen antidemokratische Gesinnungen einzusetzen und „in der Sache nicht einen Zentimeter“ zu weichen. In Gladbeck sei man zu Recht stolz auf eine Erinnerungskultur, die die Stadt, Schulen, Vereine und Verbände aktiv leben und pflegen.
Museen ließen sich während der NS-Zeit instrumentalisieren
Gladbecks Museumsleiter Alexander Borchard, zweiter Redner an diesem Tag, warf einen Blick auf die Haltungen der Museen zur Zeit der Nationalsozialisten. Zu Beginn der 1930er Jahre seien fast alle Museen stark ideologisch beeinflusst gewesen, viele Ausstellungen dienten Propagandazwecken. So sei auch das Gladbecker Haus keine Ausnahme gewesen und habe sich in den Dienst des Regimes gestellt. Das Museum habe Gladbecker Realitäten wie eine schon damals durch den Bergbau multikulturelle Gesellschaft oder oppositionelle Positionen ignoriert und sich stattdessen auf eine ideologietreue Darstellung der Stadtgeschichte konzentriert.
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Nicht nur jeder Einzelne, sondern auch Bildungseinrichtungen wie das Museum sollten heute klar Stellung beziehen, so Borchard. Er betonte: „Das Museum in Gladbeck zeigt Haltung. Für Demokratie, ein multikulturelles Zusammenleben, für Inklusion und gegen Rassismus und Ausgrenzung.“
Wie schon zwischen den Redebeiträgen lauschten die Frauen und Männer, darunter viele Vertreter aus Politik, Kirchen und Verbänden, am Ende der Gedenkfeier andächtig einem Bläserensemble der Musikschule. Die getragene Musik begleitete die Gäste auch auf ihrem Weg zur Stele, an der sie im Gedenken an die Opfer vor 81 Jahren weiße Blumen und Steine niederlegten.