Gladbeck. Hospiz-Verein gestaltet eine besondere Projektwoche an der Lambertischule. Viertklässler bearbeiten die Themenfelder Sterben, Trauer und Trost.

Den Tod zum großen Thema an der Grundschule machen? Ist das sinnvoll und überfordert es die Kinder nicht? Die Antwort dazu wurde jetzt in beeindruckender Weise an der Lambertischule gegeben. Die Grundschule in der Stadtmitte war Gladbecker Pilotschule für „Hospiz macht Schule“. Ein von der Bunds-Hospiz-Akademie erarbeitetes und bereits pädagogisch erprobtes Konzept, das jetzt vom Gladbecker Hospiz-Verein erstmals den Grundschulen in Gladbeck angeboten wurde.

Ein Projekt in Kooperation mit dem Kinder- und Jugendhospizdienst Emscher-Lippe

In Kooperation mit dem Kinder- und Jugendhospizdienst Emscher-Lippe gingen fünf Ehrenamtliche unter Koordination von Projektleiterin Beate Letzel (Hospiz-Verein) dabei in einer Projektwoche mit den Kindern der Klasse 4a auf Schatzsuche. Denn die verschiedenen Tagesthemen wie „Sterben und Tod“ oder „Trost und Trösten“ waren kindgerecht in großen Schatzkisten verpackt. Knallrote Behälter, in denen Info- und Bastelmaterial lag, um sich den Themen kindgerecht und spannend wie spielerisch in Kleingruppen anzunähern.

Auf kindgerechte Art und Weise werden die Schülerinnen und Schüler der Lambertischule an das Thema „Sterben und Tod“ herangeführt.
Auf kindgerechte Art und Weise werden die Schülerinnen und Schüler der Lambertischule an das Thema „Sterben und Tod“ herangeführt. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

„Doch“, sagt Klassenlehrerin Ruth Scheller, sie habe im Vorfeld „schon etwas Sorgen gehabt“, dass sie mit dem Thema Traumata aufreißen könnte. Denn die Klasse besuchten auch Kinder, „die aus Syrien und dem Irak nach Deutschland geflohen sind“. Und von ihren Erzählungen wisse sie, „dass die Kinder selbst Gewalt und Tod bei Bombardements erleben mussten, dabei teils Familienangehörige und Freunde verloren haben“, so die Pädagogin.

Sie sei aus diesem Grund sehr behutsam vorgegangen, habe mit einigen Kindern vorab Einzelgespräche geführt. Die Eltern seien freilich auch zuvor informiert worden. Einwände habe es keine gegeben, vielmehr habe sie eine gewisse Erleichterung gespürt, „dass das Thema Tod pädagogisch begleitet mit den Kindern besprochen wird“.

Die Kinder haben Interesse daran, über das Sterben und den Tod zu reden

Dass die Kinder selbst großes Interesse daran hätten, „über das Sterben und den Tod zu reden“ – Themen, die im vierten Schuljahr im Lehrplan behandelt werden sollen – ,erfahre sie als Religionslehrerin immer wieder, „da dazu im Unterricht ganz viele Fragen gestellt werden“.

Die Jungen und Mädchen der Klasse 4a der Lambertischule gemeinsam mit den Ehrenamtlichen des Hospizvereins.
Die Jungen und Mädchen der Klasse 4a der Lambertischule gemeinsam mit den Ehrenamtlichen des Hospizvereins. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

Was die Jungen und Mädchen dabei besonders beschäftigt, teilten sie auch dem WAZ-Redakteur offen mit. „Ich habe keine Angst vor dem Tod, aber davor, wie ich sterbe“, sagt Selami (9). „Zum Beispiel, ob ich in tiefes Wasser falle, wo man dann nicht mehr atmen kann“. Diese Sorge und Angst vor einem qualvollen Tod beschäftigt fast alle. So auch Mohammed (11). Er hat Angts vor „einer schlimmen Krankheit und vor Schmerzen“.

Dass der letzte Lebensweg nicht immer einfach ist, haben einige Kinder selbst erlebt, sie berichten von zuvor schwer erkrankten Familienmitgliedern wie Großeltern oder Tante und Onkel. Biserka (9) erzählt anrührend von ihrem 15-jährigen Bruder, „der ganz schlimm Asthma hatte“ und trotz aller ärztlichen Unterstützung in einer Spezialklinik gestorben sei. Dass es bei schlimmen Krankheiten aber auch Hilfe gibt, um Schmerzen erträglich zu machen, war so auch wichtiges Thema eines Projekttages. Ein Arzt besuchte die Klasse, beantwortete Fragen und informierte, dass es Medikamente gibt, die auch bei schlimmen Krankheiten helfen können.

Die Ehrenamtlichen sind in einem Wochenende-Workshop auf das Projekt vorbereitet worden

Für sie selbst, sagt Renate Schacht vom Hospiz-Verein, die wie alle beteiligten Ehrenamtlichen zuvor im Wochenend-Workshop geschult wurde, sei die Teilnahme an dem Projekt sehr bereichernd.

Weitere Klassen können sich anmelden

Für das Projekt „Hospiz macht Schule“ können sich weitere vierte Klassen aus Gladbecker Grundschulen anmelden. Dies ist über Koordinatorin Beate Letzel beim Hospiz-Verein möglich 9871355. Die Teilnahme ist kostenlos, da alle Materialien über Spenden (Lions Club und Fahrradgruppe des SfbB) gesponsert werden.

Hospiz macht Schule wurde im Jahr 2005/ 2006 von einer Arbeitsgruppe auf Bundesebene erarbeitet. Es wird seit 2007 von der Bundes-Hospiz-Akademie in Deutschland multipliziert und durchgeführt.

Ziel des Projektes ist es, Kinder mit dem Thema „Tod und Sterben“ nicht alleine zu lassen. Im geschützten Rahmen sollen sie die Möglichkeit bekommen, alle Fragen, die sie zu den Themen bewegen, zu stellen und so gut wie möglich beantwortet zu bekommen.

Sie selbst begleite ja überwiegend ältere Menschen auf ihrem letzten Weg und habe „einige Skepsis gehabt, ob die Kinder das Thema nicht überfordert“. Dass die Kinder so offen seien, habe sie positiv überrascht. Dem stimmt Marion Elsner (Kinder- und Jugendhospizdienst Emscher-Lippe) zu. Es sei überwältigend gewesen, „welches große Vertrauen die Kinder uns sofort mit ihrer Bereitschaft, sich uns zu öffnen, gezeigt haben“.

Die Grundschüler waren zudem auch von einem Film sehr beeindruckt, der einen Bestatter bei den Vorbereitungen einer Beisetzung zeigt. Denn: „Den gestorbenen Mann hat man auch im Sarg liegen gesehen“, erzählt Meklek (9). Der habe ganz friedlich ausgesehen, „dass es wohl gar nicht so schlimm ist, wenn man tot ist“, sagt Dion (9). Sie frage sich, meint Biserka, „wo meine Seele ist, wenn ich tot bin, ob die bei mir bleibt oder woanders hingeht“.

Und eine weitere Szene im Film hat alle fasziniert: „Da hat ein Junge was Schlaues gesagt“, berichtet Melek, „nämlich, dass der Tod zum Leben dazu gehört. Denn wir können ja nicht alle immer weiter leben, da ja neue Babys geboren werden und der Platz auf der Welt dann nicht mehr für alle Menschen reichen würde“. Und das ist eine Botschaft der Projektwoche, die die Kinder auch weitergeben wollen. „Am letzten Tag kommen unsere Eltern, dann zeigen ihnen, was wir alles gelernt haben“, sagt Sophia mit einem stolzen Lächeln.