Gladbeck. In der Gladbecker Stadtmitte sind nach Abriss des Bonhoeffer-Hauses Kellerreste des Vestischen Hofs entdeckt worden. Sie bremsen die Neubaupläne.

Der Terminplan für den Neubau der Kindertagesstätte neben der Christuskirche in der Stadtmitte wird schon wieder ausgebremst. Nach der Entschärfung eines aufgespürten Bomben-Blindgängers im Untergrund und dem Abriss des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses sind jetzt überraschend alte Kellerfundamente entdeckt worden: Reste des Vorgängerbaus Vestischer Hof, in dem einst auch die Nazi-Ortsgruppe tagte. Sie müssen aus wichtigen Gründen entfernt werden.

Der imposante Saal des Vereinshauses Vestischer Hof in Gladbeck, der bis zu 1200 Personen Platz bot.
Der imposante Saal des Vereinshauses Vestischer Hof in Gladbeck, der bis zu 1200 Personen Platz bot. © WAZ | Ulla Michels

Der Vestische Hof war 1927 bis 1929 von der Ev. Gemeinde als Vereinshaus erbaut worden. Ein imposantes Gebäude mit Restauration, Galerie, Bühne und großem Saal, der 1200 Plätze bot. Dort kamen Vereine zusammen, und der Vestische Hof war zugleich Kulturtempel mit Kino-Filmvorführungen, Boxkämpfen und Konzerten (etwa des Städtischen Musikvereins). Den größten Saal in der Stadt nutzte, weniger rühmlich, ab den 1930er Jahren auch die Ortsgruppe der NSDAP für Versammlungen.

An dieser Stelle 1964 das Dietrich-Bonhoeffer-Haus errichtet

Das Gebäude wurde dann im Zweiten Weltkrieg, wie so viele andere in Gladbeck auch, Ende 1944 schwer von Fliegerbomben getroffen und stark zerstört. „Mein Vater, Harry Götz, hat nach dem Krieg die Gaststätte geführt, deren Hälfte noch zerbombt war“, erinnert sich Elke Heydecke im Gespräch mit der WAZ. Der Trümmerbau mit der so charakteristischen runden Eckansicht wurde schließlich dann doch abgerissen, und die Reste des Vestischen Hofes verschwanden aus dem Stadtbild. An seiner Stelle errichtete die Ev. Gemeinde das Dietrich-Bonhoffer-Haus, das 1964 als neues Gemeindezentrum mit großem Saal eingeweiht und bekanntlich im Februar dieses Jahres abgerissen wurde.

Ende 1944 trafen Fliegerbomben den Vestischen Hof, der dabei zum großen Teil zerstört wurde.
Ende 1944 trafen Fliegerbomben den Vestischen Hof, der dabei zum großen Teil zerstört wurde. © WAZ | Ulla Michels

Dass noch Restfundamente des Vestischen Hofes im Untergrund sind, die den Baufortschritt der geplanten Kita stören, sei den heutigen Gemeindeverantwortlichen nicht bekannt gewesen, sagt Pfarrer Frank Großer. „Nach dem Abriss hat man den Keller wohl einfach zugeschüttet und Mutterboden darüber gekippt“, so der Vorsitzende des Presbyteriums. Ob in diesem Grundstücksbereich deshalb auch noch einmal wegen möglicher Bomben-Blindgänger detektiert werden müsse, sei ihm nicht bekannt. Der Kita-Neubau erfolge ja in Verantwortung der Stadt, die das Projekt finanziert.

Es gibt keine weiteren Blindgänger-Verdachtspunkte

Die alten Kellerfundamente des Vestischen Hofes müssemn jetzt entfernt werden. Im Hintergrund ist das Ev. Pfarramt Mitte zu sehen.
Die alten Kellerfundamente des Vestischen Hofes müssemn jetzt entfernt werden. Im Hintergrund ist das Ev. Pfarramt Mitte zu sehen. © WAZ | Marcus Esser

Immerhin beruhigende Auskunft dazu: „Es gibt keine weiteren Blindgänger-Verdachtspunkte auf dem Bauareal, so dass eine Suche nach Fliegerbomben nicht nötig ist“, informiert David Hennig von der Pressestelle der Stadtverwaltung auf Anfrage. Der überraschende Fund der Kellerreste führe aber dazu, dass die Situation neu durchgeplant werden müsse. Denn das Problem ist, dass durch die alten Fundamente der Boden so verdichtet wird, dass bei Starkregen und Rückstau die Kita quasi nasse Füße kriegen könnte. Um den Aufwand so gering wie möglich zu halten, sollen die Mauerreste entfernt und die Bodenplatte des einstigen Kellers des Vestischen Hofes perforiert werden.

Wann das passiert, ist allerdings noch unklar. Denn die Abbruchfirma hat ihren Auftrag erledigt, „und die unerwarteten Tiefbauarbeiten müssen jetzt neu ausgeschrieben werden“, so Hennig. Dies erfolge jetzt parallel zur Ausschreibung für den Kita-Rohbau. „Sobald wir Firmen gefunden haben, kann es auf der Baustelle weitergehen.“ Problem dazu: Aufgrund der anhaltenden Baukonjunktur haben viele Fachfirmen bereits volle Auftragsbücher. Bei der Stadt erwarte man dennoch nur „eine leichten Verzögerung von ein paar Wochen“. Der Kita-Neubau solle dann zügig errichtet werden, „mit 15 Monaten Bauzeit“. Klar ist aber wohl schon jetzt, dass die anvisierte Eröffnung der Ev. Kita zum neuen Kindergartenjahr im Sommer 2020 nicht zu halten ist.