Gladbeck. Die erste Inklusionsklasse einer weiterführenden Schule in Gladbeck erhält jetzt die Abschlusszeugnisse. Fazit: Es ist eine Erfolgsgeschichte.

Eine Inklusionsklasse an einer weiterführenden Schule – kann das gut gehen? Es gab einige Skeptiker, als die erste Klasse dieser Art in Gladbeck an der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule 2013 eingerichtet wurde. Jetzt, zum Schuljahresende im Sommer 2019, erhalten die damals jungen Pioniere ihr Abschlusszeugnis. Sie sind bester Beweis dafür: Inklusionsklasse, das geht - mit teilweise überraschenden Erfolgsgeschichten.

Fünf Förderkinder starteten damals in der fünften Jahrgangsstufe in den gemeinsamen Unterricht, eines mit Körperbehinderung, zwei mit dem Förderbedarf Sprache und jeweils ein weiteres Kind für die Schwerpunkte emotionale und soziale Entwicklung sowie Lernen. Nur das Kind mit der Lernschwäche wurde nicht zielgleich unterrichtet. Also mit anderen Lernzielen als die übrigen Kinder, die mit der Leistungsempfehlung Hauptschul- oder Realabschluss sowie Abitur von den Grund- an die Gesamtschule wechselten.

Für die Kinder war Inklusion kein Thema

Das Mobbing der Klassenkameraden ein Problem für die Integrativ-Kinder sein könnte, war eine im Vorfeld geäußerte Befürchtung. Alrun ten Have blieb damals zuversichtlich, sie glaube eher, „dass sich die Kinder gegenseitig unterstützen und helfen“. Die Direktorin der IDG hat offensichtlich Recht behalten. Denn für die Kinder war Inklusion kein Thema. „Da wurden in der Klasse keine Unterschiede gemacht, wir wussten gar nicht wer die Inklusionskinder sind“, erzählt Farina (17). Je nach Unterstützungsbedarf seien immer mal diese oder jene Kinder im Differenzierungsraum speziell unterstützt worden, „auch wenn die zum Beispiel Lese-Rechtschreib-Schwäche hatten“.

Rückblick 2013: Emre und Tom (v.l.) bei der Sprachförderung mit ihrem damaligen Klassenlehrer Christoph Hauptvogel.
Rückblick 2013: Emre und Tom (v.l.) bei der Sprachförderung mit ihrem damaligen Klassenlehrer Christoph Hauptvogel. © WAZ FotoPool | VON STAEGMANN, Lutz

Das Klassenlehrerteam wurde mit Sonderpädagogin Wibke Knepper ergänzt. „Eine große Bereicherung“, sagt Klassenlehrerin Güler Polat, die in der siebten Jahrgangsstufe dazustieß. „Denn die erfahren Kollegin wusste immer, mit welchen passenden Methoden man Förderschüler unterstützen kann, die uns als Regelschullehrer so noch nicht bekannt waren.“ In einer Integrationsklasse zu unterrichten, das bedeute schon eine besondere und zusätzliche Herausforderung für das Lehrerteam. Polat: „Für uns ist es so jetzt umso schöner, dass wir sehen, dass sich unser Einsatz gelohnt hat.“

Es sei durch stete Unterstützung sogar gelungen, berichtet Wibke Knepper, „dass einige Kinder den Regelanforderungen gerecht wurden und sie aus dem Status des besonderen Förderbedarfs herausgenommen werden konnten“.

Unterstützung auch durch die Schüler

Unterstützung erfolgte mehr oder weniger direkt auch durch die Mitschüler. „In der sechsten Klasse ist ein

Gemeinsames Lernen ist der Regelfall

Mit dem 9. Schulrechtsänderungsgesetz wurde 2013 in NRW das Gemeinsame Lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung zum gesetzlichen Regelfall.

Wird ein Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung festgestellt, ist demnach die Schulaufsicht verpflichtet, den Eltern – mit Zustimmung des Schulträgers – mindestens eine allgemeine Schule vorzuschlagen, an der ein geeignetes Angebot des Gemeinsamen Lernens eingerichtet ist.

Integrationsschüler neben mich gesetzt worden“, erzählt dazu Arganisa. Eine leistungsstarke Schülerin, deren ruhige Art wohl entsprechend auf den Banknachbarn wirken sollte. „Das hat gut geklappt“, so die 16-Jährige. Die weiter sagt: „Aus meiner Sicht hatte ich dadurch keine Nachteile.“ Vielmehr habe das Miteinander ihr Selbstbewusstsein gestärkt.

Das unterstreicht auch Sonderpädagogin Wibke Knepper: „Der Vergleich mit allen anderen Klassen der Jahrgangsstufe hat immer belegt, dass die Leistungen der Schülerinnen und Schüler der Inklusionsklasse im Normbereich sind.“

Statt Förderschule die Fachoberschulreife

Ein schönes Beispiel für eine Erfolgsgeschichte ist René. Mit Förderschulempfehlung sei er damals an die Gesamtschule gewechselt, erzählt der Schüler. Jetzt wird der glückliche 16-Jährige die Gesamtschule mit Fachoberschulreife abschließen. „Mir hat die Inklusionsklasse gut getan, so dass ich mich weiter entwickeln und immer weiter verbessern konnte.“ Seine ruhige, nette wie zuverlässige Art überzeugte kürzlich auch beim Vorstellungsgespräch. Der Gesamtschüler beginnt jetzt eine Ausbildung zum Gerüstbauer. „Meine Eltern sind auch sehr zufrieden“, sagt René mit einem Lächeln.