Gladbeck. Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule erlaubt Einblick in die erste offizielle Integrationsklasse der weiterführenden Schule. Fünf Förderschulkinder werden auch im gemeinsamen Unterricht gefördert
Wie sieht er aus, der Alltag in den im Vorfeld so heiß diskutierten ersten integrativen Klassen an weiterführenden Schulen? An der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule wartet bereits eine mutige Eskorte auf den Zeitungsmann. Melina und Hussein (alle Kindernamen geändert), die stolz den Weg ins Obergeschoss vorangehen, wo die 5.1 mitsamt fünf integrierten Förderschülern ihre Klassenräume bezogen hat.
Ein luftig eingerichteter großer Klassenraum, in dem Schülerpulte zu Gruppentischen zusammengeschoben sind. An den Wänden hängen bunte Bilder, Hinweis- und Lerntexte, wie in vielen Eingangsklassen auch. Fröhlich wuseln die etwa 20 Kinder plappernd durcheinander – ein munteres Bild, wie es einem in jeder fünften Klasse ähnlich begegnet. Schnell ist Ruhe eingekehrt, nachdem Angelique Sluka den Deutschunterricht eröffnet hat.
In Kooperation mit ihren Kollegen, Christoph Hauptvogel und Sonderschulpädagogin Wibke Knepper, leitet die Pädagogin die erste Inklusionsklasse an der IDG. Integriert sind darin fünf Förderschulkinder, eines mit Körperbehinderung, zwei mit dem Förderbedarf Sprache und jeweils ein weiteres Kind für die Schwerpunkte emotionale und soziale Entwicklung sowie Lernen. Nur letzteres Kind werde nicht zielgleich unterrichtet, also mit anderen Lernzielen als die übrigen Klassenkinder, erklärt Christoph Hauptvogel. In den ersten Wochen der Schuleingangsphase habe man zum gegenseitigen Kennenlernen möglichst viel gemeinsam gemacht. Wichtig auch für die Lehrer zur Einschätzung der jeweiligen Schülerfähigkeiten, „so dass wir jetzt langsam an die individuelle Förderung herangehen“.
Wie die aussehen kann, wird im Deutschunterricht gut deutlich. Sechs Kinder wechseln in den schmalen, vom Klassenzimmer direkt abgeteilten Differenzierungsraum. Ein riesiges, durchgehendes Fenster erlaubt weiter den gegenseitigen Blickwechsel. „So haben die Kinder, für die Deutsch bislang eine Fremdsprache ist, die Möglichkeit, in größerer Ruhe an ihren Aufgaben zu arbeiten – sie können gut beaufsichtigt werden und sind indirekt doch nah am Klassengeschehen beteiligt“, erklärt Angelique Sluka.
Vier Kinder sind derweil mit Sonderpädagogin Wibke Knepper über den Flur in einen kleineren Förderraum hinüber gegangen, zur intensiven Sprachförderung. Sie rollen einander einen roten Ball über den Tisch zu. Für jeden Buchstaben des Alphabets müssen die Kinder passende Wörter finden, um gemeinsam einen Satz zu bilden. Lustige Ergebnisse kommen dabei heraus wie „Indianer isst Igel“ oder „Katze kratzt Kiwi“. Nur Nils ist sichtlich beleidigt und macht plötzlich nicht mehr mit. Den Grund findet Wibke Knepper durch behutsames Nachfragen heraus. „Ich bin nicht so oft dran gekommen“, erklärt der Elfjährige schließlich, der dem Zeitungsmann so gerne mehr von seinem Können gezeigt hätte.
Bei der Aufteilung zur Differenzierung werde darauf geachtet, erklären die Pädagogen später, dass, immer wieder wechselnd, auch lernstärkere Schüler mit dabei sind, um einer Stigmatisierung der Förderschüler vorzubeugen. Klar wüssten die Kinder, wer zu den Förderschülern zählt, „das interessiert sie im Klassenalltag aber überhaupt nicht.“ Im großen Klassenraum ist derweil Wortprofi angesagt. Je nach eigenem Zutrauen dürfen sich die Kinder gruppenweise Lernspiele heraussuchen, um beispielsweise Wortarten in einem Text zu finden.
Nach dem Deutschunterricht beginnt die betreute Freistunde, einige Kinder wollen Ball spielen, andere stürmen in den Klassen-Nebenraum, um gemeinsam an der Küchenzeile Sandwiches zu toasten. Ein Ausstattungs-Luxus, über den nur die Inklusions-Klasse verfügt.